Dr. Gero Dietrich, Dr. Angela Emmert
Rz. 237
Vertrauensarbeitszeit kann geeignet sein, Motivation und damit Produktivität von Mitarbeitern zu verbessern. Denn bei diesem Arbeitszeitmodell verzichtet der Arbeitgeber auf die Kontrolle und – nach alter Denkweise – förmliche Erfassung der Arbeitszeit. Durch die Rechtsprechung des BAG ist die Arbeitszeit auch bei der Vertrauensarbeitszeit zu erfassen, jedenfalls dann, wenn der Betriebsrat Auskunft hierüber verlangt. Nach der Rechtsprechung des EuGH mit Urt. v. 14.5.2019 ist zudem den Mitgliedstaaten aufgegeben, die Arbeitgeber zu verpflichten, ein objektives, verlässliches und jedem Arbeitnehmer zugängliches System einzurichten, mit dem die geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann. Eine generelle Ausnahme für die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit ist nicht vorgesehen.
In der Regel wird in der Praxis vereinbart, dass der Mitarbeiter innerhalb eines bestimmten vorgegebenen Rahmens seine Arbeitszeit selbst bestimmen kann. Aus der Vereinbarung der "Vertrauensarbeitszeit" folgt nicht, dass eine von arbeits- oder tarifvertraglichen Vorgaben freie Festlegung der wöchentlichen Arbeitszeit erfolgen dürfe, oder der Arbeitgeber über die tatsächlich erbrachte Arbeitszeit hinaus Arbeitsleistungen anordnen kann. Auch bei Vertrauensarbeitszeit ist der Arbeitgeber weiterhin verpflichtet ist, die Einhaltung der Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen zu gewährleisten und dem Betriebsrat die hierzu erforderlichen Informationen und Dokumentation zur Verfügung zu stellen. Entsprechend muss der Arbeitgeber die erforderlichen Daten erfassen. Hiervon ausgenommen sind nur die leitenden Angestellten i.S.d. § 5 Abs. 3 BetrVG, die nicht in die Zuständigkeit des Betriebsrats fallen. Wohl aber werden sie von der Rechtsprechung des EuGH und dem darin erteilten Auftrag an den Gesetzgeber, ein System der Arbeitszeitmessung zu etablieren, erfasst. Damit hat auch bei der Vertrauensarbeitszeit ein Mindestmaß an Erfassung der tatsächlichen Arbeitszeit zu erfolgen.
Die Einführung oder Änderung der Regelungen zur Vertrauensarbeitszeit sind vom Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gem. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG erfasst. Zwar könnte man argumentieren, dass das Mitbestimmungsrecht entfällt, wenn der Zeitraum der Erbringung der Arbeitsleistung gänzlich ins Ermessen des Arbeitnehmers gestellt wird. Denn dann erfolgt ja gerade keine Festlegung der täglichen Arbeitszeit oder deren Verteilung auf die Wochentage durch den Arbeitgeber. Die h.M. leitet jedoch auch in diesen Fällen aus Sinn und Zweck des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates ab. Das folgende Muster sieht – der gängigen Praxis entsprechend – einen Rahmen vor, innerhalb dessen die Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit selbst festlegen können. Unter Berücksichtigung der Aufzeichnungsnotwendigkeiten aus § 80 BetrVG als auch nach dem Arbeitszeitgesetz (hier bislang "nur" im Hinblick auf die über acht Stunden täglich hinaus gehende Arbeitszeit) sind Regelungen zur Dokumentation enthalten, die allerdings dem Arbeitnehmer auferlegt sind. Der Arbeitgeber hat durch Stichproben sicherzustellen, dass diesen Dokumentationserfordernissen genügt wird. Weitere Aufzeichnungspflichten werden sich ergeben, wenn die Vorgaben des EuGH durch den Gesetzgeber umgesetzt werden.