Dr. Detlef Grimm, Dr. Stefan Freh
Rz. 47
Dreh- und Angelpunkt des Betriebsverfassungsrechts ist der Betrieb als die organisatorische Einheit, innerhalb derer ein Arbeitgeber allein oder mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe von technischen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Ein Betrieb wird betriebsratsfähig, sobald in der Regel mindestens fünf wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt werden, von denen drei wählbar sind (§ 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG).
Rz. 48
Ein Betrieb kann in mehrere Betriebsteile untergliedert sein. Ein Betriebsteil i.S.d. BetrVG ist auf den Zweck des Hauptbetriebes ausgerichtet und in dessen Organisation eingegliedert, ist dabei aber gegenüber dem Hauptbetrieb organisatorisch abgrenzbar und relativ verselbstständigt. Grundsätzlich wird für einen Betrieb und seine Betriebsteile nur ein Betriebsrat gewählt. Hiervon macht § 4 Abs. 1 BetrVG eine Ausnahme, indem Betriebsteile als selbstständige Betriebe gelten, wenn sie selbst die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 BetrVG erfüllen und entweder räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt oder durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständig sind. Hauptbetrieb i.S.d. § 4 Abs. 1 BetrVG ist derjenige Betrieb, der für den Betriebsteil die Leitungsfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten wahrnimmt. Für die Gesamtwürdigung des Kriteriums der räumlichen Entfernung i.S.d. § 4 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG sind vor allem die Verkehrsverbindungen zwischen Betriebsteil und Hauptbetrieb entscheidend. Die Eigenständigkeit im Aufgabenbereich ist insbesondere gegeben, wenn in dem Betriebsteil ein vom Hauptbetrieb abweichender, gesonderter arbeitstechnischer Zweck verfolgt wird. Die kumulativ erforderliche organisatorische Eigenständigkeit setzt voraus, dass auf der Ebene des Betriebsteils eine institutionell verankerte eigene Leitungsstruktur existiert, die den wesentlichen Kern der der betrieblichen Mitbestimmung unterliegenden Arbeitgeberfunktionen ausübt. Ist in einem solchen qualifizierten Betriebsteil noch kein Betriebsrat gewählt, können deren Arbeitnehmer nach § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG mit Stimmenmehrheit formlos die Teilnahme an der Wahl des Betriebsrats im Hauptbetrieb beschließen.
Rz. 49
Für einem Unternehmen zugehörige Kleinstbetriebe, die als selbstständige Betriebe die Voraussetzungen der Betriebsratsfähigkeit in § 1 Abs. 1 BetrVG nicht erfüllen, bestimmt § 4 Abs. 2 BetrVG ihre Zuordnung zum Hauptbetrieb. Während die herrschende Literaturmeinung den Hauptbetrieb i.S.d. § 4 Abs. 2 BetrVG nach dem Kriterium der räumlichen Nähe auswählen möchte, ist nach der Rechtsprechung des BAG derjenige Betrieb Hauptbetrieb i.S.d. § 4 Abs. 2 BetrVG, der gegenüber dem nicht betriebsratsfähigen Kleinstbetrieb eine hervorgehobene Bedeutung hat. Entscheidend sei, welcher Betrieb – wenn auch lediglich beratend – Arbeitgeberfunktionen im mitbestimmungsrelevanten Bereich auch für den nicht betriebsratsfähigen Kleinstbetrieb wahrnimmt.