Lieferdienstfahrer durften Betriebsrat wählen

Für die rechtmäßige Wahl eines Betriebsrates braucht es eine organisatorisch selbstständige Einheit. Fahrer und Fahrerinnen, die per App für eine Online-Plattform innerhalb eines abgrenzbaren Liefergebietes tätig werden, können einen eigenen Betriebsrat wählen. Das hat das Arbeitsgericht Aachen entschieden.

Das Betriebsverfassungsgesetzt setzt für die Gründung eines Betriebsrates voraus, dass auch ein Betrieb vorhanden ist. Immer wieder kommt es zu Auseinandersetzungen darüber, ob tatsächlich eine betriebsratsfähige Organisationseinheit vorliegt. Auch im vorliegenden Verfahren ging es um die Frage, ob eine ausreichende organisatorische Selbständigkeit eines Betriebsteils gegeben war, um einen Betriebsrat wählen zu können. Der Arbeitgeber war nicht der Ansicht, zumal es für die per App arbeitenden Lieferfahrer keine Leitung vor Ort gab. Er unterlag aber vor dem Arbeitsgericht Aachen.

Der Fall: Fahrer eines Lieferservice wählen einen Betriebsrat

Der Arbeitgeber ist ein Lieferservice, der über ein Onlineportal die Bestellung und Auslieferung von Speisen und Getränken von Partnerrestaurants organisiert. Im Frühjahr 2023 wählten die Auslieferfahrer im Liefergebiet Aachen einen dreiköpfigen Betriebsrat. Der Arbeitgeber hielt diese Betriebsratswahl für unwirksam. Er begründete dies damit, dass die Fahrer des Aachener Liefergebiets mit denen des Köln Liefergebiets einen zusammenhängenden einheitlichen Betrieb bildeten. Das Liefergebiet Aachen sei allein keine hinreichend organisatorische Einheit, um einen Betriebsrat wählen zu dürfen.

ArbG Aachen weist Anfechtung der Wahl zurück

Das Arbeitsgericht Aachen hielt die Wahlanfechtung für unbegründet. Der Betriebsrat sei rechtmäßig gewählt worden. Das Gericht verwies darauf, dass auch in einem qualifizierten Betriebsteil im Sinne des § 4 BetrVG ein eigenständiger Betriebsrat gewählt werden könne. Diese Voraussetzungen erfülle das Liefergebiet Aachen. Zum einen sei es räumlich und organisatorisch vom Hauptbetrieb abgrenzbar: Die Auslieferungsfahrer seien dem Aachener Gebiet fest zugeordnet, einen Austausch von Arbeitnehmenden, etwa mit dem Liefergebiet Köln, gebe es nicht. Der Aachener Betriebsteil sei mit 77 km auch räumlich weit vom Hauptbetrieb in Köln entfernt.

Leitung muss nicht am Ort präsent sein

Das Gericht stellte weiter fest, dass es für die Annahme eines selbstständigen Betriebsteils ausreiche, dass es in der organisatorischen Einheit überhaupt eine Leitung gebe, die den Einsatz der Arbeitnehmenden bestimmt und die Weisungsrechte des Arbeitgebers ausübt. Wenn der Arbeitgeber wie vorliegend den Arbeitseinsatz der Arbeitnehmenden per App steuere, genüge es, dass alle Mitarbeitenden der abgrenzbaren Einheit den Weisungsrechten einer Leitungsmacht unterstehen, die für die diese Einheit zuständig sei. In rein digital organisierten Betrieben komme es nicht darauf an, dass eine Person räumlich vor Ort in dem Betriebsteil anwesend sei, die Weisungsrechte per App auf den Weg bringe.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Gegen den Beschluss wurde Beschwerde beim Landesarbeitsgericht Köln eingelegt.

Hinweis: Arbeitsgericht Aachen, Beschluss vom 23. April 2024, Az. 2 BV 56/23


Das könnte Sie auch interessieren: 

Falsch ausgelegter Minderheitenschutz bei der Betriebsratswahl

Vergütung von Betriebsräten: Was das Gesetz vorgibt

Kein Weiterbeschäftigungsanspruch für Vorfeld-Initiator einer Betriebsratswahl


Schlagworte zum Thema:  Urteil, Betriebsrat