Dr. Gero Dietrich, Dr. Angela Emmert
Rz. 1167
Lohn- und Gehaltsansprüche des Arbeitnehmers in einem fortbestehenden Arbeitsverhältnis sind Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO, soweit sie für die Zeit nach der Insolvenzeröffnung geschuldet werden. Der Tag der Insolvenzeröffnung zählt dabei bereits mit. Es ist nicht erforderlich, dass der Insolvenzverwalter die Arbeitsleistung in der Zeit nach der Eröffnung als Gegenleistung für die Insolvenzmasse tatsächlich in Anspruch nimmt. Auch ein Arbeitnehmer, der vom Insolvenzverwalter von der Verpflichtung zur Erbringung seiner Arbeitsleistung freigestellt wird, behält seinen Entgeltanspruch aus Gründen des Annahmeverzuges (§§ 293 ff., 615 BGB). Zahlt der Insolvenzverwalter mangels Masse kein Gehalt und bezieht der freigestellte Arbeitnehmer in der Zeit nach der Insolvenzeröffnung Arbeitslosengeld als sog. Gleichwohlgewährung nach § 157 Abs. 3 S. 1 SGB III, ist der Differenzbetrag zu seinem Nettoentgelt bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gleichfalls eine Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Ansprüche aus Arbeitsverhältnissen, die der Insolvenzverwalter nach der Eröffnung neu begründet, sind Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Auch Anwartschaften der betrieblichen Altersversorgung, die nach Insolvenzeröffnung entstanden sind, stellen eine solche Masseverbindlichkeit dar. Allerdings kann der Insolvenzverwalter diese ohne Zustimmung des Arbeitnehmers nach § 3 Abs. 4 BetrAVG abfinden, wenn die Betriebstätigkeit vollständig eingestellt und das Unternehmen liquidiert wird. Die Anmeldung einer Masseverbindlichkeit zur Insolvenztabelle wahrt eine tarifliche Ausschlussfrist in Bezug auf das Erfordernis der schriftlichen Geltendmachung.
Rz. 1168
Entgeltansprüche während der Freistellungsphase bei Altersteilzeit im Blockmodell sind Insolvenzforderungen i.S.d. § 38 InsO, wenn die Arbeitsphase vor der Insolvenzeröffnung lag. Fällt die Arbeitsphase aber in die Zeit nach der Insolvenzeröffnung, sind die Arbeitnehmeransprüche Masseverbindlichkeiten. Bei Sonderzuwendungen und erfolgsabhängigen Vergütungen wird nicht auf die Fälligkeit, sondern darauf abgestellt, in welchem Zeitraum der mit der Zuwendung vergütete Dienst geleistet bzw. auf welchen Zeitraum die Zuwendung bezogen ist. Nur der Teil, der auf die Zeit nach der Eröffnung entfällt, ist eine Masseverbindlichkeit. Gleiches gilt bei einer Stichtagsregelung. Stellt die Sonderzuwendung eine Belohnung für die Betriebstreue dar, und ist der Anspruch erst nach Insolvenzeröffnung fällig, ist die gesamte Sonderzuwendung eine Masseverbindlichkeit. Es kommt also auf die konkrete Ausgestaltung der Anspruchsvoraussetzungen im Einzelfall an. Der Anspruch auf Urlaubsentgelt ist dem Zeitraum vor oder nach der Insolvenzeröffnung zuzuordnen, in dem der Urlaub tatsächlich genommen wird. Beim Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 BUrlG ist auf den Beendigungszeitpunkt abzustellen. Endet das Arbeitsverhältnis vor der Insolvenzeröffnung, ist der Urlaubsabgeltungsanspruch eine Insolvenzforderung. Endet es danach, ist der Abgeltungsanspruch Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO). Dabei ist unerheblich, ob die Zeit nach Insolvenzeröffnung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgereicht hätte, den Urlaubsanspruch durch Freistellung von der Arbeitspflicht zu erfüllen. Auch der Anspruch auf zusätzliches Urlaubsgeld ist dann eine Masseverbindlichkeit. Ein vor der Eröffnung begründeter vertraglicher Abfindungsanspruch ist eine Insolvenzforderung. Bei einer gerichtlichen Abfindung bzw. einer Abfindung nach § 1a KSchG ist zu unterscheiden, ob die Kündigung vor oder nach der Insolvenzeröffnung ausgesprochen wurde. Hat der Insolvenzverwalter die Kündigung ausgesprochen bzw. einen Rechtsstreit nach Insolvenzeröffnung fortgesetzt, ist die Abfindung eine Masseverbindlichkeit. Ein tarifvertraglicher Abfindungsanspruch ist demgegenüber auch dann nur eine Insolvenzforderung, wenn die Kündigung erst nach Eröffnung durch den Insolvenzverwalter erklärt wird. Die Karenzentschädigung wegen eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes ist Masseverbindlichkeit, soweit die Unterlassungspflicht Zeiträume nach der Insolvenzeröffnung betrifft. Für Arbeitnehmererfindungen regelt § 27 AErfG die Insolvenz des Arbeitgebers. Es wird danach unterschieden, wie der Insolvenzverwalter mit der Diensterfindung umgeht, also z.B. sie allein bzw. mit dem Geschäftsbetrieb veräußert oder selbst verwertet.
Rz. 1169
Der Anspruch auf Nachteilsausgleich nach § 113 BetrVG bei einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses vor Insolvenzeröffnung mit Zustimmung des schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters ist eine Insolvenzforderung. Agiert der Insolvenzverwalter bzw. der starke vorläufige Insolvenzverwalter, ist es eine Masseverbindlichkeit. Ansprüche aus einem nach Insolvenzeröffnung aufgestellten Sozialplan sind Masseverbindlich...