Dr. Gero Dietrich, Dr. Angela Emmert
Rz. 329
Der Einsatz von modernen EDV-Systemen in den Betrieben wirft eine Vielzahl von Fragen auf, insbesondere im Hinblick auf Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats und den Schutz von Arbeitnehmerdaten.
Rz. 330
Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats werden nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ausgelöst, wenn der Einsatz der EDV-Systeme die Möglichkeit einer Überwachung des Verhaltens oder der Leistung der Arbeitnehmer bietet. Dies ist bei den modernen EDV-Systemen regelmäßig der Fall, da sie Daten der Arbeitnehmer erfassen oder verarbeiten können und damit zur Überwachung des Verhaltens oder der Leistung der Arbeitnehmer objektiv geeignet sind. Für die Annahme eines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG kommt es auf die Zweckbestimmung des entsprechenden Systems nicht an, vielmehr reicht dessen tatsächliche Eignung zur Erfassung von Verhaltens- oder Leistungsdaten. Der Betriebsrat hat also bei der Einführung und Nutzung von EDV-Systemen im Betrieb in der Regel ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Sinn dieser Vorschrift ist es, Eingriffe in den Persönlichkeitsbereich der Arbeitnehmer durch Verwendung technischer Kontrolleinrichtungen nur bei gleichberechtigter Mitbestimmung des Betriebsrats zuzulassen. Die gleichberechtigte Mitbestimmung des Betriebsrats wird beachtet, indem der Arbeitgeber mit ihm eine Betriebsvereinbarung über den Einsatz der technischen Einrichtungen abschließt.
Rz. 331
Im Hinblick auf den Schutz von Arbeitnehmerdaten legt § 75 Abs. 2 BetrVG dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat die Verpflichtung auf, die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen. Dieser Schutz wird zugleich durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistet und umfasst das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, d.h. die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Die nähere Regelung dieses Rechts ergibt sich insbesondere aus der EU-DSGVO und dem BDSG.
Rz. 332
Eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer durch Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten seitens des Arbeitgebers ist nach Art. 6 Abs. 1 EU-DSGVO nur rechtmäßig, wenn die Verarbeitung etwa zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung oder des Arbeitsvertrags erforderlich ist oder der Arbeitnehmer eingewilligt hat.
Rz. 333
Die Einwilligung der betroffenen Arbeitnehmer muss den Anforderungen des Art. 7 EU-DSGVO genügen, d.h. auf der Grundlage einer ausreichenden Information und freiwillig erteilt werden. Die Einholung der Einwilligung ist beim Abschluss des Arbeitsvertrages für den Arbeitgeber ohne größere Schwierigkeiten möglich. Dagegen wird es in bereits bestehenden Arbeitsverhältnissen und bei einer Vielzahl von betroffenen Arbeitnehmern nur mit größerem Aufwand für den Arbeitgeber möglich sein, die Einwilligung sämtlicher Mitarbeiter einzuholen. Darüber hinaus kann die Einwilligung gemäß Art. 7 Abs. 3 S. 1 EU-DSGVO jederzeit widerrufen werden, so dass der Arbeitgeber spätestens dann auf eine Erlaubnisnorm angewiesen wäre.
Rz. 334
Die maßgebliche Erlaubnisnorm im Arbeitsverhältnis stellt § 26 BDSG dar. Der deutsche Gesetzgeber hat die durch Art. 88 EU-DSGVO den Mitgliedstaaten gebotene Möglichkeit, für die Datenverarbeitung im Beschäftigungskontext durch Rechtsvorschriften spezifischere Vorschriften vorzusehen, genutzt und in dieser Vorschrift die Datenverarbeitung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses näher geregelt.
Nach § 26 Abs. 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten von Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses verarbeitet werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung oder zur Ausübung oder Erfüllung der sich aus einem Gesetz oder einem Tarifvertrag, einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung (Kollektivvereinbarung) ergebenden Rechte und Pflichten der Interessenvertretung der Beschäftigten erforderlich ist.
Gemäß Art. 88 EU-DSGVO können die Mitgliedstaaten für die Datenverarbeitung im Beschäftigungskontext auch durch Kollektivvereinbarungen spezifischere Vorschriften vorsehen. Der deutsche Gesetzgeber hat auch diese Möglichkeit genutzt und in § 26 Abs. 4 BDSG anerkannt, dass die Verarbeitung von Beschäftigtendaten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses auf der Grundlage von Kollektivvereinbarungen, zu denen die Betriebsvereinbarung zählt, zulässig ist. Der Abschluss einer Betriebsvereinbarung über die Einführung und Nutzung eines EDV-Systems hat den Vorteil, dass darin nicht nur die Einzelheiten der Verarbeitung von Mitarbeiterdaten im Rahmen der Leistungs- und Verhaltenskontrolle durch den Arbeitgeber geregelt werden können, sondern damit zugleich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG beachtet wird.
Rz. 335
Allerdings ist der Regelungsspielraum de...