Dr. Detlef Grimm, Dr. Stefan Freh
Rz. 725
Soll eine Einstellung oder Versetzung erfolgen, zu der keine Zustimmung des Betriebsrats vorliegt, auch nicht im Wege der Zustimmungsfiktion des § 99 Abs. 3 BetrVG, kommt eine vorläufige Maßnahme nach § 100 BetrVG in Betracht. Ansonsten muss der Arbeitgeber bis zum Abschluss des gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens warten. Das Verfahren des § 100 BetrVG ist nach h.M. allerdings nicht einschlägig, wenn es um eine Ein- oder Umgruppierung geht, die der Betriebsrat abgelehnt hat. Zur Begründung dieser Einschränkung wird entweder darauf abgestellt, dass eine Ein- oder Umgruppierung nicht eilbedürftig sei oder dass die Ein- oder Umgruppierung keine nach außen wirkende Maßnahme sei, die nach § 101 BetrVG aufgehoben werden könne. Praktisch bedeutet das, dass der Arbeitgeber die für richtig gehaltene Vergütung von Beginn an zahlt (damit auch die Ein- oder Umgruppierung durchführt) und parallel dazu das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG einleitet. Das Zustimmungsersetzungsverfahren kann der Betriebsrat aber auch über § 101 BetrVG erzwingen.
Rz. 726
Die Unterrichtungspflicht unterliegt keiner Form. Aus Gründen der Beweisbarkeit sollte sie aber auf jeden Fall schriftlich erfolgen. Hinsichtlich des Zeitpunkts der Unterrichtung gilt: Sie muss im Regelfall vor Durchführung der vorläufigen Maßnahme liegen. Kann wegen Dringlichkeit ausnahmsweise vorher nicht unterrichtet werden, muss der Arbeitgeber die Unterrichtung unverzüglich nachholen. Die Unterrichtung kann bereits im Anhörungsschreiben nach § 99 BetrVG erfolgen; da es sich um zwei unterschiedliche Gegenstände handelt, muss aber deutlich zum Ausdruck kommen, dass der Arbeitgeber auch nach § 100 BetrVG unterrichtet. Ob eine vorläufige Maßnahme schon vor Anhörung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG zulässig ist, ist streitig. Im laufenden Zustimmungsersetzungsverfahren kann noch eine vorläufige Maßnahme vorgenommen werden, wenn erst dann die Dringlichkeit auftritt.
Rz. 727
Die vorläufige Maßnahme ist nur zulässig, wenn sie aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist. Maßgeblich ist die Lage zum Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme, spätere Änderungen spielen keine Rolle. Die sachlichen Gründe sind im Unterrichtungsschreiben konkret darzulegen, eine bloße Bezugnahme auf den Gesetzeswortlaut oder eine offenkundig unvollständige Begründung genügen dem nicht: In dem Fall kann der Betriebsrat eine Aufhebung der Maßnahme nach § 101 BetrVG verlangen. Als Begründung für eine vorläufige Einstellung kommt etwa in Betracht: Gefahr von Betriebsablaufstörungen; Gefahr der Stornierung von Aufträgen; qualifizierter Bewerber springt möglicherweise ab. In solchen Fällen braucht sich der Arbeitgeber nicht darauf verweisen lassen, er könne eine andere Person einstellen, die vorhandenen Arbeitnehmer könnten Überstunden leisten, die offene Stelle könnte vorübergehend durch Leiharbeitnehmer ausgefüllt werden. Von den Gerichten werden solche Gründe des Arbeitgebers schnell akzeptiert. Ob dies auf einem Verständnis für die betrieblichen Notwendigkeiten beruht oder ob diese Sicht der Arbeitsgerichte zu kritisieren ist, sei hier offengelassen.
Rz. 728
§ 100 BetrVG schreibt anders als § 99 Abs. 1 BetrVG nicht die Vorlage von Unterlagen vor, solche brauchen also nicht beigefügt werden, und zwar auch dann nicht, wenn der Betriebsrat das aufgrund § 80 Abs. 2 BetrVG verlangt. Allerdings kann die Beifügung weiterer Unterlagen sinnvoll sein, um den Betriebsrat von einem Bestreiten der Dringlichkeit abzuhalten.
Rz. 729
Bestreitet der Betriebsrat die Dringlichkeit, so muss der Arbeitgeber binnen drei Tagen das Arbeitsgericht einschalten (§ 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG, dazu siehe unten § 3 Rdn 366). Ist die vorläufige Maßnahme nach Ablauf der drei Tage bereits beendet, muss der Arbeitgeber aber kein Verfahren nach §§ 100, 99 Abs. 4 BetrVG einleiten. Bestreitet der Betriebsrat die Dringlichkeit nicht oder antwortet er zu spät, so kann der Arbeitgeber die vorläufige Maßnahme durchführen bzw. aufrechterhalten. Er ist dann auch nicht gezwungen, binnen drei Kalendertagen ein gerichtliches Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten; § 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG ist nicht anwendbar. Zögert der Arbeitgeber das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren allerdings unangemessen hinaus, so kann der Betriebsrat dem mit einem Antrag nach § 101 BetrVG begegnen.
Rz. 730
Der Arbeitgeber muss den einzustellenden Arbeitnehmer über die Sach- und Rechtslage aufklären, dies ist eine Obliegenheit gemäß § 100 Abs. 1 S. 2 BetrVG. Unterlässt er die Aufklärung, so hat das keine Auswirkung auf die vorläufige personelle Maßnahme. Es kann den Arbeitgeber aber zu Schadensersatz gegenüber dem Bewerber verpflichten. Tunlichst enthält der Arbeitsvertrag bei vorläufiger Einstellung einen Vorbehalt oder eine Bedingung für den Fall, dass der Arbeitgeber die vorläufige Maßnahme oder die Beschäftigung über...