Dr. Detlef Grimm, Dr. Stefan Freh
Rz. 206
Der Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG erfasst – obwohl er die Verkürzung und Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit betrifft – nur vorübergehende Fälle und eröffnet insbesondere kein Mitbestimmungsrecht bei der generellen bzw. dauerhaften Festlegung der Dauer der Arbeitszeit (siehe hierzu auch Rdn 202). Eine dauerhafte erhebliche Verlängerung der Arbeitszeit (Heraufsetzen der Teilzeittätigkeit auf Vollzeit) kann eine Einstellung des Arbeitnehmers nach § 99 Abs. 1 BetrVG darstellen.
Rz. 207
Das Mitbestimmungsrecht erstreckt sich auf die Anordnung von Überstunden. Ausreichend ist ein kollektiver Bezug. Dieser kann bereits bei der Anordnung von Überstunden für einen einzelnen Arbeitnehmer gegeben sein – auch dann, wenn dem Mitarbeiter freigestellt ist, ob er die Überstunden leisten möchte. Denn auch hierdurch werden kollektive Interessen der Belegschaft berührt. Das Mitbestimmungsrecht besteht sogar bei bloßer Duldung freiwillig geleisteter Überstunden.
Rz. 208
Mitbestimmungspflichtig ist dabei die Frage, ob überhaupt Überstunden zu leisten sind, in welchem Umfang und in welchen Bereichen. Erforderlich ist, dass die Betriebsparteien zumindest den Rahmen der Anordnung festlegen – es reicht nicht aus, dem Arbeitgeber die Anordnung der Überstunden zu überlassen. Möglich ist aber, dass sich die Betriebsparteien auf die Festlegung der Grundsätze beschränken und die konkrete Umsetzung dann der Arbeitgeber übernimmt. Mitbestimmungspflichtig ist auch die Duldung von Überstunden.
Hinweis
Eine Verpflichtung, Überstunden abzuleisten, ergibt sich nicht bereits aus einer entsprechenden Betriebsvereinbarung. Sie besteht nur, wenn und soweit der Arbeitsvertrag (oder der anwendbare Tarifvertrag) zur Leistung von Überstunden (ausdrücklich oder konkludent) verpflichtet oder diesbezügliche Änderungen des Arbeitsvertrages durch Betriebsvereinbarung zulässt (Betriebsvereinbarungsdispositivität).
Die Darlegungs- und Beweislast bei der Geltendmachung von Überstundenvergütung liegt beim Arbeitnehmer; dieser muss die Anordnung (bzw. Duldung) und die Leistung der Überstunden darlegen und nachweisen.
Mitbestimmungsfrei ist die Frage, ob Überstunden zu vergüten oder Zuschläge zu leisten sind. Erfolgt jedoch eine Vergütung oder werden Zuschläge gewährt, sind die Verteilungsgrundsätze wiederum nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Es besteht kein Mitbestimmungsrecht beim Abbau von Überstunden.
Rz. 209
Die Streichung einer oder mehrerer Schichten ist eine vorübergehende Verkürzung der betriebsüblichen Arbeitszeit und betrifft die Verteilung der Arbeitszeit – sie unterliegt damit ebenfalls dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Gleiches gilt für die Anordnung von zusätzlichen Schichten als vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit bzw. Änderung der Verteilung. Dabei bleibt es den Parteien überlassen, ob sie jeden einzelnen Schichtplan gemeinsam aufstellen wollen oder sich auf die Festlegung der Kriterien und Grundsätze beschränken, nach denen die Aufstellung der konkreten Einzelschichtpläne nach diesen Vorgaben dann dem Arbeitgeber überlassen bleibt. Das Beteiligungsrecht greift unabhängig davon ein, ob die Veränderung (insbesondere die Verkürzung der Arbeitszeit) Auswirkungen auf die Vergütung der Arbeitnehmer hat. Die Mitbestimmung lässt sich auch nicht durch den Einsatz von Leiharbeitnehmern in großem Stil über die personelle Einzelmaßnahme nach § 99 BetrVG "aushebeln".
Rz. 210
Der Mitbestimmung unterliegt insbesondere die Einführung von Kurzarbeit und wird zur Wirksamkeitsvoraussetzung. Die Kurzarbeit dient bei auftretendem Arbeitsmangel mit Entgeltausfall sowohl dem Interesse des Arbeitgebers an der Beibehaltung der eingearbeiteten Belegschaft als auch dem Interesse der Arbeitnehmer an dem Erhalt ihrer Arbeitsplätze und wird deshalb z.T. als Ermächtigungsgrundlage für entsprechende Betriebsvereinbarungen gesehen. Voraussetzung ist aber, dass die Betriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit die Rechte und Pflichten so deutlich regelt, dass diese für die Arbeitnehmer erkennbar sind. Erforderlich sind die Bestimmung von Beginn und Dauer der Kurzarbeit, die Festlegung der Lage und Verteilung der Arbeitszeit sowie die Auswahl der betroffenen Arbeitnehmer bzw. Festlegung des von der Kurzarbeit betroffenen Bereichs. Fehlt es an diesen Mindestregelungen, kann der Arbeitnehmer trotz Leistens von Kurzarbeit wegen Annahmeverzugs des Arbeitgebers die volle Vergütung verlangen.
Rz. 211
Hinweis
Während eines Streiks kann der Arbeitgeber ohne die Beteiligung des Betriebsrats die Lage der Arbeitszeit ändern, um den Betriebsablauf trotz Streiks aufrecht zu erhalten. Ein Mitbestimmungsrecht besteht in diesem Fall wegen des Neutralitätsgebots des Betriebsrats nicht, wenn und soweit die Anordnung bezweckt, den Auswirkungen des Streiks zu begegnen. Das Mitbestimmungsrecht e...