Dr. Gero Dietrich, Dr. Angela Emmert
Rz. 1102
Für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer gelten, bis auf die Geltung der Höchstfrist in § 113 S. 2 InsO, keine insolvenzrechtlichen Besonderheiten. Der Arbeitnehmer kann das Arbeitsverhältnis jederzeit unter Einhaltung der für ihn geltenden Kündigungsfrist ordentlich kündigen. Bei der Eigenkündigung nach § 113 InsO steht dem Arbeitnehmer kein Schadensersatzanspruch zu, da § 113 S. 3 InsO nur für die Kündigung durch den Insolvenzverwalter gilt.
Rz. 1103
Durch die drohende Insolvenz des Arbeitgebers bzw. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann sich für den Arbeitnehmer auch akuter Handlungsbedarf ergeben, insbesondere wenn der Arbeitgeber bereits mit erheblichen Gehaltszahlungen im Rückstand ist und diese u.U. nicht mehr vom Dreimonatszeitraum des Insolvenzgeldes nach § 165 Abs. 1 SGB III erfasst sind. Es kann daher sinnvoll sein, dass der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis selbst aus wichtigem Grund fristlos kündigt. Bei einer gerechtfertigten Eigenkündigung drohen ihm weder Schadensersatzansprüche des Insolvenzverwalters, noch wird die Agentur für Arbeit eine Sperrzeit für den Arbeitslosengeldbezug nach § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III verhängen. Für die außerordentliche Kündigung durch den Arbeitnehmer gelten die allgemeinen Grundsätze, insbesondere die Notwendigkeit einer Abmahnung, die Einhaltung der Ausschlussfrist und die Vornahme einer Interessenabwägung. Die Darlegungs- und Beweislast für die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung trägt im Streitfall der Arbeitnehmer. Allein die Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet kein außerordentliches Kündigungsrecht des Arbeitnehmers, ebenso wenig die Möglichkeit zum Abschluss eines anderen neuen Arbeitsvertrages. Der Arbeitnehmer sollte in diesen Fällen anstreben, mit dem Insolvenzverwalter einen Aufhebungsvertrag zu schließen. Ansonsten kann er das Arbeitsverhältnis fristlos kündigen, wenn der Arbeitgeber sich mit Lohn- und Gehaltszahlungen entweder zeitlich oder dem Betrag nach erheblich in Verzug befindet bzw. Arbeitssicherheitsvorschriften nicht einhält. Bleibt der Arbeitgeber über längere Zeit fortlaufend mit Lohn- und Gehaltszahlungen in kündigungsrelevantem Umfang im Rückstand, beginnt die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB wegen dieses Dauertatbestandes erst mit dessen Beendigung. Die Zweiwochenfrist ist also gewahrt, wenn der Dauertatbestand in den letzten zwei Wochen vor Ausspruch der Arbeitnehmerkündigung angehalten hat. Lehnt der Arbeitgeber demgegenüber die Zahlungen ab und zeigt damit seine Zahlungsunwilligkeit, liegt ein abgeschlossener Sachverhalt vor mit der Folge, dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB mit der ersten Zahlungsablehnung zu laufen beginnt. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist die Kündigung gegenüber dem Insolvenzverwalter auszusprechen. Ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers wegen des Auflösungsschadens nach § 628 Abs. 2 BGB ist eine Insolvenzforderung nach § 38 InsO.
Rz. 1104
Vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung bedarf es in der Regel einer Abmahnung durch den Arbeitnehmer. Die Anforderungen an diese Abmahnung weisen keine Besonderheiten gegenüber der vom Arbeitgeber auszusprechenden Abmahnung auf. Die Pflichtverletzung muss konkret benannt sein. Ebenso muss deutlich werden, dass der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist, wenn der Arbeitgeber sich zukünftig nicht vertragskonform verhält. Der Arbeitnehmer trägt die Darlegungs- und Beweislast für den Abmahnungsgrund und den Zugang der Abmahnung. Auch kann der Arbeitnehmer bei einem mehr als geringfügigen Lohnrückstand, nach vorheriger Androhung mit Fristsetzung, sein Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung nach §§ 273 Abs. 1, 298 und 615 BGB ausüben.