Dr. Detlef Grimm, Dr. Stefan Freh
aa) Allgemeines
Rz. 238
Vertrauensarbeitszeit kann geeignet sein, Motivation und damit Produktivität von Mitarbeitern zu verbessern. Ohne Vorgaben zu einzuhaltenden Arbeitszeiten steht das Ergebnis der Arbeitsleistung und die eigenverantwortliche Zeiteinteilung des Arbeitnehmers im Vordergrund. Bei diesem Arbeitszeitmodell verzichtet der Arbeitgeber (zudem) auf die Kontrolle und – nach alter Denkweise – förmliche Erfassung der Arbeitszeit. Eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung auch bei der Vertrauensarbeitszeit hat das BAG bereits im Jahr 2003 zuerkannt. Diese besteht also nicht erst nach dem Urteil des EuGH aus 2019 und der Entscheidung des BAG aus 2022, wonach die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung bereits aus § 3 ArbSchG folgt. Auch wenn in der Literatur zum Teil darin das Aus für die Vertrauensarbeitszeit gesehen wurde, bleibt diese weiterhin möglich – jedenfalls im Hinblick auf die Eigenverantwortlichkeit und Flexibilität des Zeitpunkts und Zeitrahmens der Arbeitsleistung. Anpassungen sind lediglich im Hinblick auf die Arbeitszeiterfassung und stichprobenhafte Kontrollen durch den Arbeitgeber erforderlich.
In der Regel wird in der Praxis vereinbart, dass der Mitarbeiter innerhalb eines bestimmten vorgegebenen Rahmens seine Arbeitszeit selbst bestimmen kann. Aus der Vereinbarung der "Vertrauensarbeitszeit" folgt nicht, dass eine von arbeits- oder tarifvertraglichen Vorgaben freie Festlegung der wöchentlichen Arbeitszeit erfolgen dürfe, oder der Arbeitgeber über die tatsächlich erbrachte Arbeitszeit hinaus Arbeitsleistungen anordnen kann. Auch bei Vertrauensarbeitszeit ist der Arbeitgeber weiterhin verpflichtet ist, die Einhaltung der Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen zu gewährleisten und dem Betriebsrat die hierzu erforderlichen Informationen und Dokumentation zur Verfügung zu stellen. Entsprechend muss der Arbeitgeber die erforderlichen Daten erfassen.
Von der Zeiterfassung (und Information an den Betriebsrat) ausgenommen sind die leitenden Angestellten i.S.d. § 5 Abs. 3 BetrVG, die nicht in die Zuständigkeit des Betriebsrats fallen. Auch unterliegen sie wohl nach der Rechtsprechung des BAG nicht der Erfassungspflicht nach § 3 ArbSchG. Diese erstreckt sich nur auf "diejenigen Arbeitnehmer, für die der nationale Gesetzgeber nicht auf der Grundlage von Art. 17 I RL 2003/88/EG von den Vorgaben der Art. 3, 5 und 6 Buchst. b dieser Richtlinie abgewichen ist." Eine solche Abweichung gilt jedoch für leitende Angestellte gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG.
Die Einführung oder Änderung der Regelungen zur Vertrauensarbeitszeit sind vom Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gem. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG erfasst. Zwar könnte man argumentieren, dass das Mitbestimmungsrecht entfällt, wenn der Zeitraum der Erbringung der Arbeitsleistung gänzlich ins Ermessen des Arbeitnehmers gestellt wird. Denn dann erfolgt ja gerade keine Festlegung der täglichen Arbeitszeit oder deren Verteilung auf die Wochentage durch den Arbeitgeber. Die h.M. leitet jedoch auch in diesen Fällen aus Sinn und Zweck des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates ab.
Das folgende Muster sieht – der gängigen Praxis entsprechend – einen Rahmen vor, innerhalb dessen die Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit selbst festlegen können. Unter Berücksichtigung der Aufzeichnungsnotwendigkeiten aus § 80 BetrVG als auch nach der Rechtsprechung des BAG sind Regelungen zur Dokumentation enthalten. Nach ganz überwiegender Meinung kann die Vornahme der Arbeitszeiterfassung dem Arbeitnehmer auferlegt werden. So ist es im Muster vorgesehen. Der Arbeitgeber hat durch Stichproben sicherzustellen, dass diesen Dokumentationserfordernissen genügt wird. Weitere Aufzeichnungspflichten mögen sich ergeben, wenn die Vorgaben des EuGH durch den Gesetzgeber umgesetzt werden.