Dr. Gero Dietrich, Dr. Angela Emmert
Rz. 556
Bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes ist der allgemeine Grundsatz zu beachten, dass spezielle Gefahren für besonders schutzbedürftige Beschäftigtengruppen berücksichtigt werden (§ 4 Nr. 6 ArbSchG). Hierzu zählen schwangere und stillende Frauen, jüngere Beschäftigte, ältere Beschäftigte, Menschen mit Behinderungen sowie Leiharbeitnehmer. Zum Teil ergeben sich konkrete Anforderungen aus speziellen Rechtsvorschriften:
(1) Schwangere und Stillende
Rz. 557
Der Unterabschnitt 2 (§§ 9–15) des MuSchG und die MuSchutzArbV beschäftigt sich mit dem betrieblichen Gesundheitsschutz schwangerer oder stillender Frauen. Jeder Arbeitgeber, unabhängig davon, ob er (zurzeit) Frauen im Betrieb beschäftigt, ist seit dem 1.1.2018 verpflichtet, im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) alle Arbeitsbedingungen grundsätzlich auf Gefährdungsfaktoren für schwangere und stillende Frauen zu betrachten. § 10 MuSchG schreibt vor, für jede Tätigkeit, denen eine Schwangere oder stillende Frau oder ihr Kind ausgesetzt ist oder sein kann, zu ermitteln, ob Schutzmaßnahmen oder eine Umgestaltung der Arbeitsbedingungen erforderlich sein werden oder eine Fortführung der Tätigkeit der Frau an diesem Arbeitsplatz nicht möglich sein wird. Nach Mitteilung der Schwangerschaft sind die in der Gefährdungsbeurteilung festgelegten erforderlichen Schutzmaßnahmen unverzüglich umzusetzen (§ 10 Abs. 2 MuSchG).
(2) Menschen mit Behinderungen
Rz. 558
§ 164 Abs. 4 Nr. 4 SGB IX (= § 81 Abs. 4 SGB IX a.F.) begründet einen Anspruch schwerbehinderter Menschen auf behinderungsgerechte Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätten einschließlich der Betriebsanlagen, Maschinen und Geräte sowie der Gestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsumfeldes der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit, unter besonderer Berücksichtigung der Unfallgefahr. Diese speziellen Vorgaben sind in die Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 ArbSchG einzubeziehen.
Bei Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen ist die Arbeitsstätte gemäß § 3 Abs. 2 ArbStättV so einzurichten und zu betreiben, dass die besonderen Belange dieser Beschäftigten im Hinblick auf die Sicherheit und den Schutz der Gesundheit berücksichtigt werden. Dies gilt insbesondere für die barrierefreie Gestaltung von Arbeitsplätzen, Sanitär-, Pausen- und Bereitschaftsräumen, Kantinen, Erste-Hilfe-Räumen und Unterkünften sowie den zugehörigen Türen, Verkehrswegen, Fluchtwegen, Notausgängen, Treppen und Orientierungssystemen, die von den Beschäftigten mit Behinderungen benutzt werden.
(3) Jugendliche – §§ 28, 28a, 29 JArbSchG
Rz. 559
Gemäß § 28a JArbSchG ist die Gefährdungsbeurteilung vor Beginn der Beschäftigung Jugendlicher und bei wesentlicher Änderung der Arbeitsbedingungen im Hinblick auf besondere Gefährdungen Jugendlicher zu präzisieren. § 28 JArbSchG enthält Vorgaben zur menschengerechten Gestaltung der Arbeit Jugendlicher. Eine spezielle Unterweisungspflicht ergibt sich aus § 29 JArbSchG.
Rz. 560
Neben diesen durch sonstige Vorschriften des sozialen Arbeitsschutzes geschützten Beschäftigten können auch Beschäftigte folgender "Beschäftigtengruppen" besonders schutzbedürftig sein:
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Leistungsgeminderte bzw. ältere Beschäftigte sowie |
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Beschäftigte mit defizitärer Befähigung im Sinne von § 7 ArbSchG. |
Rz. 561
Aufgrund der Art des Beschäftigungsverhältnisses können potenziell besonders schutzbedürftig sein
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Beschäftigte in einem Teilzeitarbeitsverhältnis oder in einem befristeten Arbeitsverhältnis, |
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Beschäftigte im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung (vgl. § 11 Abs. 6 AÜG, § 12 Abs. 2 ArbSchG, |
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Beschäftigte im Rahmen eines Ausbildungsverhältnisses sowie Praktikanten, Berufsanfänger und Berufswechsler, |
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arbeitnehmerähnliche Personen. |