Dr. Detlef Grimm, Dr. Stefan Freh
Rz. 594
Eine Vielzahl der Arbeitsschutzvorschriften sind unter Berücksichtigung der konkreten betrieblichen Verhältnisse umzusetzen. Sie enthalten Schutzziele, benennen vielfältige Pflichten des Arbeitgebers zum Schutz von Leben und Gesundheit der Beschäftigten, ohne abschließend festzulegen, was der Arbeitgeber gesetzlich zu tun verpflichtet ist. Für den Arbeitgeber bestehen unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten, die sich aus den konkreten betrieblichen Verhältnissen ergeben. Über die Auswahl bestimmt der örtliche Betriebsrat mit.
Rz. 595
Die Arbeitszeit gehört als unmittelbarer Gefährdungsfaktor zum Regelungsgegenstand des ArbSchG, vgl. § 5 Abs. 3 Nr. 4.Die Verpflichtung zur Einführung und Verwendung eines den Vorgaben der CCOO-Entscheidung des EuGH entsprechenden Arbeitszeiterfassungssystems im Betrieb leitet sich aus der in Art. 6 Abs. 1 der Arbeitsschutzrahmenrichtlinie (RL 89/391/EWG) verankerten allgemeinen arbeitsschutzrechtlichen Organisationspflicht des Arbeitgebers ab. Das "Ob" der Arbeitszeiterfassung ist nach deutschem Recht durch § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG vorgeschrieben. Für die Ausgestaltung des im Betrieb zu verwendenden Arbeitszeiterfassungssystems besteht nach § 87 Abs. 1 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht. Dieses hängt nicht davon ab, ob der Arbeitgeber seiner gesetzlichen Verpflichtung zur Einführung eines Systems zur Arbeitszeiterfassung nachkommen will oder nicht. Das Mitbestimmungsrecht setzt aufgrund der objektiv bestehenden gesetzlichen Handlungspflicht des Arbeitgebers und Fehlens einer zwingenden gesetzlichen Vorgabe ein.
Zum Thema Vertrauensarbeitszeit wird auf Rdn 238 ff. nebst Mustervereinbarung verwiesen.
Rz. 596
Maßnahmen des Arbeitgebers, die ohne Einigung mit dem Betriebsrat durchgeführt wurden sind aufgrund der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung (vgl. Rdn 168) unwirksam. Dadurch werden Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche des Betriebsrates ausgelöst (vgl. Rdn 174).
Rz. 597
In vielen Betrieben hat sich bewährt, dass Arbeitgeber und Betriebsrat einen gemeinsamen Ausschuss gemäß § 28 Abs. 2 BetrVG bilden, dem die Aufgabe übertragen wird, Fragen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu beraten und zu entscheiden, soweit keine Betriebsvereinbarung abgeschlossen wird.
Ein gemeinsamer Ausschuss als zusätzliche eigenständige Einrichtung im Rahmen der Betriebsverfassung kann von den Betriebsparteien nur freiwillig gebildet werden. Ein gemeinsamer Ausschuss nach § 28 BetrVG lässt sich nicht durch Spruch der Einigungsstelle gegen den Willen einer Betriebspartei einsetzen.
Rz. 598
Die Bildung eines solchen gemeinsamen Ausschusses hat den Vorteil, dass kontinuierlich die mitbestimmungsrechtlich relevanten Fragen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat auf dem Gebiet des Gesundheitsschutzes verhandelt werden und die Kompetenz zur sachgerechten Entscheidung wächst. Zu beachten ist, dass das Betriebsratsgremium seinerseits in die Fragen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes eingebunden bleibt und diese Themen nicht Spezialisten überlassen werden. Denn die Fragen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes sind als Querschnittsaufgabe bei jeder Betriebsratstätigkeit in jedem Teil eines Betriebes von Bedeutung.
Rz. 599
Muster in Ihr Textverarbeitungsprogramm übernehmen
Muster 2.52: Betriebsvereinbarung Organisation der Beteiligung des Betriebsrats
Betriebsvereinbarung zur Organisation der Beteiligung des Betriebsrates gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei Regelungen zum Gesundheitsschutz
Zwischen dem Arbeitgeber und
dem bei diesem gebildeten Betriebsrat
wird folgende Betriebsvereinbarung geschlossen:
§ 1 Geltungsbereich
Räumlich:
Diese Betriebsvereinbarung gilt für den Betrieb […]
Persönlich:
Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Mitarbeiter des Betriebes, einschließlich der Leiharbeitnehmer.
§ 2 Zielsetzung
(1) Diese Betriebsvereinbarung betrifft das Verfahren der Beteiligung des Betriebsrates gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei Regelungen zum Gesundheitsschutz, insbesondere des gesamten Gefährdungsbeurteilungsprozesses,
▪ |
Verfahren und Organisation der Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen gemäß § 5 ArbSchG (ArbSchG), |
▪ |
Festlegung ggf. erforderlicher Maßnahmen und deren Wirksamkeitskontrolle gemäß § 3 Abs. 1 ArbSchG sowie der Verordnungen, die aufgrund von § 18 ArbSchG erlassen wurden. |
(2) Damit soll ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess von Arbeitssicherheit sowie Arbeits- und Gesundheitsschutz installiert und gleichzeitig die Beteiligung der Beschäftigten an der Durchführung des Gefährdungsbeurteilungsprozesses, einschließlich der Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes gesichert werden.
(3) Beide Parteien stimmen überein, dass eine erfolgreiche Umsetzung des ArbSchG sowohl im Interesse des Unternehmens als auch der Beschäftigten liegt.
§ 3 Betriebliche Organisation
(1) Zur Umsetzung dieser Betriebsvereinbarung wird ein paritätisch besetzter Ausschuss gemäß § 28 Abs. 2 BetrVG gebildet. Er setzt sich aus je zwei Beauftragten des Arbeitgebe...