Dr. Detlef Grimm, Dr. Stefan Freh
Rz. 1144
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat generell keine Auswirkungen auf das kollektive Arbeitsrecht, soweit der Gesetzgeber in den Vorschriften §§ 113, 120–122 und 125–128 InsO nichts anderes geregelt hat.
1. Beteiligungsrechte des Betriebsrats
Rz. 1145
Die Beteiligungsrechte der Betriebsverfassungsorgane, insbesondere des Betriebsrates bleiben im Insolvenzverfahren bestehen. Die Insolvenzeröffnung hat rechtlich keinen Einfluss auf die Amtszeit des Betriebsrates, da die nach § 80 InsO auf den Insolvenzverwalter übergehende Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auch die betriebsverfassungsrechtlichen Rechte und Pflichten umfasst. Es gilt beispielsweise die Anhörungspflicht des Betriebsrates zur beabsichtigten Kündigung nach § 102 BetrVG, nicht jedoch vor einer Freistellung, sowie das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei Betriebsänderungen, insbesondere bei einer (Teil-)Betriebsstilllegung, nach §§ 111 ff. BetrVG.
Rz. 1146
Wurde in dem Betrieb noch kein Betriebsrat gebildet, wird bei drohender Insolvenz des Arbeitgebers von den Arbeitnehmern häufig erstmals eine Betriebsratswahl initiiert, insbesondere um Sozialplanleistungen verhandeln zu können. Wird der Betriebsrat jedoch erst nach dem Betriebsänderungs- oder Stilllegungsbeschluss gewählt, kann dieser den Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans nicht mehr verlangen. Die Pflichten des Insolvenzverwalters, die Betriebsänderung mit dem Betriebsrat zu beraten und einen Interessenausgleich abzuschließen, bestehen auch dann, wenn dieser erst nach der Insolvenzeröffnung gewählt wurde.
Praxistipp
Besteht in einem Betrieb kein Betriebsrat, so muss dieser vor dem Betriebsänderungs-/Stilllegungsbeschluss gewählt worden sein, um mit dem Insolvenzverwalter einen Interessenausgleich und Sozialplan wegen etwaiger Abfindungszahlungen verhandeln zu können.
2. Interessenausgleich in der Insolvenz
Rz. 1147
Generell besteht im Insolvenzverfahren die Pflicht des Insolvenzverwalters, bei einer Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG einen Interessenausgleich zu versuchen. Andernfalls kann der von einer Betriebsänderung betroffene Arbeitnehmer gemäß § 113 Abs. 3 BetrVG Ansprüche auf Nachteilsausgleich geltend machen, sobald der Insolvenzverwalter mit der geplanten Betriebsänderung beginnt.
Rz. 1148
Um aber die Sanierungsbemühungen des Insolvenzverwalters bzw. eine beabsichtigte Betriebsveräußerung auf einen Erwerber wegen Unklarheiten der Arbeitsverhältnisse nicht zu verzögern, wird das Verfahren durch die Regelungen der §§ 121, 122 InsO beschleunigt. Nach § 121 InsO findet ein Vermittlungsversuch vor dem Einigungsstellenverfahren nur dann statt, wenn der Insolvenzverwalter und der Betriebsrat gemeinsam darum ersuchen. Erscheint dem Insolvenzverwalter auch die Anrufung der Einigungsstelle zu langwierig, kann er mit arbeitsgerichtlicher Zustimmung von der Verpflichtung befreit werden, einen Interessenausgleich nach § 112 Abs. 2 BetrVG zu versuchen (§ 122 Abs. 1 InsO). Das Arbeitsgericht hat die Zustimmung nach § 122 Abs. 2 InsO zu erteilen, wenn die wirtschaftliche Lage des Unternehmens dies auch unter Berücksichtigung der Arbeitnehmerbelange erfordert.
3. Namensliste nach § 125 InsO
Rz. 1149
Nach § 125 Abs. 1 InsO können der Insolvenzverwalter und der Betriebsrat einen Interessenausgleich vereinbaren, der die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, namentlich bezeichnet. Dies gilt auch für Änderungskündigungen. Die Gestaltu...