Dr. Detlef Grimm, Dr. Stefan Freh
Rz. 1130
Der Insolvenzverwalter hat nach Eröffnung des Verfahrens, wie jeder andere Arbeitgeber auch, den besonderen Kündigungsschutz der Arbeitnehmer zu beachten. § 113 InsO schließt die Anwendbarkeit des besonderen Kündigungsschutzes nicht aus.
(1) Schwangerschaft und Mutterschutz
Rz. 1131
In der Insolvenz gilt auch nach § 17 Abs. 1 MuSchG das Kündigungsverbot gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung. Voraussetzung dafür ist, dass dem Insolvenzverwalter als Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung die Schwangerschaft oder die Entbindung bekannt war bzw. innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird. Nach Absatz 2 der Vorschrift kann die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder eine von ihr bestimmte Stelle in besonderen Fällen die Kündigung auf Antrag des Insolvenzverwalters ausnahmsweise für zulässig erklären. Ob die Insolvenzeröffnung als ein besonderer Fall i.S.d. § 17 Abs. 2 MuSchG gilt, ist bisher nicht entschieden worden. Jedoch stellt die insolvenzbedingte vollständige Betriebsstilllegung einen solchen besonderen Fall dar.
(2) Elternzeit und Pflegezeit
Rz. 1132
Auch Arbeitnehmern in Elternzeit (§ 15 BEEG) darf in der Insolvenz nach § 18 Abs. 1 BEEG während der Elternzeit nicht gekündigt werden. Bei Arbeitnehmern in Pflegezeit (§§ 2 und 3 PflegeZG) darf in der Insolvenz das Arbeitsverhältnis von der Ankündigung der Pflegezeit, höchstens jedoch zwölf Wochen vor dem angekündigten Beginn, bis zu deren Beendigung nicht gekündigt werden (§ 5 PflegeZG). Die Kündigung kann aber jeweils in besonderen Fällen von der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde oder einer von ihr bestimmten Stelle auf Antrag des Insolvenzverwalters ausnahmsweise für zulässig erklärt werden.
(3) Schwerbehinderung
Rz. 1133
Das Arbeitsverhältnis eines schwerbehinderten Menschen oder eines nach § 2 Abs. 3 SGB IX diesem gleichgestellten Menschen kann im Insolvenzverfahren nur nach vorheriger Zustimmung des Integrationsamts vom Insolvenzverwalter nach den §§ 168 ff. SBG IX gekündigt werden. Bestand das Arbeitsverhältnis bei Zugang der Kündigung noch nicht länger als sechs Monate, gilt das Zustimmungserfordernis nicht (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX). § 172 SGB IX regelt Einschränkungen der Ermessensentscheidung des Integrationsamts zugunsten des Arbeitsgebers. Bei einer wesentlichen Betriebseinschränkung soll das Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung erteilen, hat also ein reduziertes Ermessen (§ 172 Abs. 1 S. 2 SGB IX). Demgegenüber besteht kein Ermessensspielraum bei einer vollständigen Betriebsstilllegung. In diesem Fall hat das Integrationsamt nach § 172 Abs. 1 S. 1 SGB IX dem Antrag zuzustimmen, wenn zwischen dem Kündigungszugang und dem Tag, bis zu dem Lohn oder Gehalt gezahlt wird, mindestens drei Monate liegen. Eine weitere Sonderregelung für die Ermessensbetätigung des Integrationsamtes im Insolvenzverfahren enthält § 172 Abs. 3 SGB IX. Danach soll die Zustimmung erteilt werden, wenn der Schwerbehinderte im Interessenausgleich namentlich benannt, die Schwerbehindertenvertretung beteiligt und der Schwerbehindertenschutz gewahrt wurde.