Rolf Klutinius, Jan Therstappen
Rz. 147
Nach ständiger höchst richterlicher Rechtsprechung handelt in objektiver Hinsicht grob fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt im hohen Maße außer Acht lässt und nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen des konkreten Einzelfalls jedem einleuchten müsste. Es muss dabei auch in subjektiver Hinsicht unter Berücksichtigung der personalen Seite der Verantwortlichkeit, deren Besonderheiten im Einzelfall im Sinne einer Entlastung von dem schweren Vorwurf der groben Fahrlässigkeit ins Gewicht fallen können, eine schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung festgestellt werden, die das gewöhnliche Maß erheblich übersteigt.
Rz. 148
Ein Augenblicksversagen ist allein noch kein Grund, den Schuldvorwurf der groben Fahrlässigkeit herabzustufen, wenn die objektiven Merkmale der groben Fahrlässigkeit gegeben sind; es müssen vielmehr weitere Umstände hinzutreten, die den Grad des momentanen Versagens erkennen und in einem milderen Licht erscheinen lassen. Aber ein einmaliger Fehler, der einem Versicherungsnehmer bei einer Routinetätigkeit unterläuft, begründet nicht unbedingt den Vorwurf grober Fahrlässigkeit.
Hinweis
Der Versicherungsfall muss gerade infolge der groben Fahrlässigkeit eingetreten sein. Das dem Versicherungsnehmer als grob fahrlässig zum Vorwurf gemachte Verhalten muss sich also auf den Eintritt des Versicherungsfalls nachweisbar zumindest mitursächlich ausgewirkt haben.
Rz. 149
Dieses Kausalitätserfordernis wird häufig übersehen. Geht der Fahrlässigkeitsvorwurf z.B. dahin, der Versicherungsnehmer habe sein Fahrzeug zu lange über Nacht auf einem Autobahnrastplatz abgestellt, ist der erforderliche Kausalitätsnachweis nicht erbracht, wenn der Zeitpunkt des Diebstahls nicht feststeht. Dann kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Fahrzeug bereits unmittelbar oder kurze Zeit nach dem Abstellen gestohlen wurde, also zu einem Zeitpunkt, zu dem das Abstellen auf dem Rastplatz noch nicht als grob fahrlässig anzusehen ist.
Rz. 150
Werden Fahrzeugpapiere oder Fahrzeugschlüssel versteckt im Fahrzeug belassen und wird das Fahrzeug dann entwendet, ist der Kausalitätsnachweis in der Regel nicht zu erbringen. Denn entscheidend ist, ob die im Fahrzeug befindlichen Papiere oder Schlüssel den Diebstahlentschluss hervorgerufen, den Versicherungsfall also veranlasst haben. Das ist nicht der Fall, wenn der Täter Papiere oder Schlüssel vor seinem Diebstahlentschluss nicht gesehen hat.
Rz. 151
Der Nachweis der Herbeiführung des Versicherungsfalls, des Verschuldens des Versicherungsnehmers und der Kausalität des Fehlverhaltens für den Eintritt des Versicherungsfalls obliegt dem Versicherer.
Rz. 152
Für den Nachweis der groben Fahrlässigkeit sind die Regeln des Anscheinsbeweises nicht anwendbar. Der Tatrichter hat jedoch im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung gem. § 286 ZPO die Möglichkeit, vom äußeren Geschehensablauf oder vom Ausmaß des objektiven Pflichtverstoßes auf innere Vorgänge und deren gesteigerte Vorwerfbarkeit zu schließen; der subjektive Tatbestand lässt sich damit durch Indizien nachweisen. Beruft sich der Versicherungsnehmer auf Schuldunfähigkeit i.S.d. § 827 BGB, muss er die Voraussetzungen beweisen.