Rolf Klutinius, Jan Therstappen
a) Zustandekommen der vorläufigen Deckung
Rz. 19
Für die Zeit vor Einlösung des Versicherungsscheines kann eine vorläufige Deckungszusage erteilt werden. Durch die VVG-Reform sind mit den §§ 49–52 VVG erstmals Regelungen über die vorläufige Deckung in das Gesetz aufgenommen worden. Daneben ist die vorläufige Deckung in B.2 AKB geregelt.
Rz. 20
Die vorläufige Deckungszusage ist ein selbstständiger Versicherungsvertrag, durch den der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz genießt, und zwar unabhängig vom Zustandekommen des Hauptvertrages. Der Versicherer haftet aufgrund der vorläufigen Deckung auch dann, wenn ausnahmsweise ein Hauptvertrag nicht zustande kommt.
Rz. 21
Dabei kann nach § 51 Abs. 1 VVG der Versicherer nunmehr den Beginn des Versicherungsschutzes aus der vorläufigen Deckung von der Zahlung einer Prämie abhängig machen, sofern der Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform oder durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein auf diese Voraussetzung aufmerksam gemacht worden ist. In der Praxis wird jedoch die vorläufige Deckung zumindest bislang nicht von der Zahlung einer Prämie abhängig gemacht.
Rz. 22
Vor der VVG-Reform verdrängte bei der vorläufigen Deckung § 1 Abs. 2 AKB 2004 die Vorschrift des § 38 Abs. 2 VVG a.F. Für ein stillschweigendes Abbedingen des § 38 Abs. 2 VVG a.F. besteht nun kein Bedürfnis mehr, da die Prämienzahlung jetzt in § 51 VVG für die vorläufige Deckung ausdrücklich geregelt ist.
Rz. 23
Die vorläufige Deckungszusage kann formlos – auch konkludent – erteilt werden. In § 49 Abs. 1 S. 1 VVG ist ausdrücklich geregelt, dass die Vertragsbestimmungen und weiteren Informationen nach § 7 VVG dem Versicherungsnehmer nur auf Anforderung und spätestens mit dem Versicherungsschein zu übermitteln sind.
Rz. 24
Die in § 6 VVG vorgesehene Beratungs- und Dokumentationspflicht für die vorläufige Deckung in der Kfz-Haftpflichtversicherung als Pflichtversicherung nach § 6 Abs. 2 S. 3 VVG war bis zur Novellierung des § 6 VVG im Jahr 2018 dahingehend abgemildert, dass eine mündliche Beratung ohne Dokumentation ausreicht. Im Rahmen der Kaskoversicherung mussten auch für die vorläufige Deckung die Beratungsinformationen dem Versicherungsnehmer nach § 6 Abs. 2 VVG unmittelbar nach Vertragsschluss zur Verfügung gestellt werden, da es sich gerade nicht um eine Pflichtversicherung handelt. § 6 Abs. 2 VVG 2018 verweist nunmehr auf § 6a VVG.
Rz. 25
In der Kfz-Haftpflichtversicherung gilt nach B.2.1 AKB 2015 die Aushändigung der für die Zulassung notwendigen Versicherungsbestätigungskarte ("Doppelkarte") oder die Nennung einer Versicherungsbestätigungs-Nummer als Zusage der vorläufigen Deckung. § 9 KfzPflVV stellt klar, dass der Versicherungsschutz aufgrund der vorläufigen Deckungszusage durch Aushändigung der Versicherungsbestätigung vom Zeitpunkt der behördlichen Zulassung des Fahrzeuges und bei einem bereits zugelassenen Fahrzeug vom Zeitpunkt der Einreichung der Versicherungsbestätigung bei der Zulassungsstelle an bis zur Einlösung des Versicherungsscheins gilt.
Rz. 26
Vorläufiger Deckungsschutz für die Kaskoversicherung muss gesondert vereinbart werden. Grundsätzlich darf ein Versicherungsnehmer aber darauf vertrauen, dass sein Versicherungsantrag einheitlich behandelt wird. Wenn der Versicherungsnehmer daher neben der Haftpflichtversicherung auch den Antrag zum Abschluss einer Kasko-Versicherung und/oder Unfallversicherung gestellt hat oder einen entsprechenden Versicherungsvertrag beim Fahrzeugwechsel fortsetzen will, gilt die vorläufige Deckungszusage auch für die Kasko- und Unfallversicherung.
Hinweis
Hat der Versicherungsnehmer also gleichzeitig eine Kaskoversicherung für das Kraftfahrzeug beantragt oder will er einen entsprechenden Versicherungsvertrag bei einem Fahrzeugwechsel fortsetzen, führt die Aushändigung der Versicherungsbestätigungskarte auch zur vorläufigen Deckung in der Kaskoversicherung, wenn der Versicherer dabei nicht ausdrücklich und unmissverständlich darauf hinweist, dass die vorläufige Deckung nur für die Kfz-Haftpflichtversicherung gelten soll.
Rz. 27
Für die klare und deutliche Belehrung ist der Versicherer beweispflichtig. Ausreichend ist ein drucktechnisch hervorgehobener Hinweis auf dem Antragsformular. Ein formularmäßiger Hinweis auf der Versicherungsbestätigung reicht nicht aus.
Rz. 28
Wenn der Agent die Versicherungsbestätigung vorbehaltlos ausgehändigt hat, kann sich der Versicherer unter dem Gesichtspunkt der Vertrauenshaftung auch nicht auf fehlende Vollmacht des Agenten oder Maklers berufen.
Rz. 29
Auch einen Direktversicherer kann eine telefonische Hinweispflicht auf den Umfang der von ihm angebotenen vorläufigen Deckung treffen.