Rz. 151

Die nachfolgende Aufzählung betrifft stets die Streitfrage, ob der Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt worden ist oder nicht. Während vor der VVG-Reform Rechtsfolge stets Leistungsfreiheit des Versicherers war ("Alles-oder-nichts-Prinzip"), so kommt es nach § 81 Abs. 2 VVG nur noch zu einer Kürzung der Leistung im Verhältnis zur Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers. Im Einzelnen:

a) Entwendung

aa) Schlüssel und Papiere

(1) Grobe Fahrlässigkeit bejaht

 

Rz. 152

Schlüssel im unverschlossenen Handschuhfach (Römer/Langheid, § 61 VVG Rn 62; vgl. BGH VersR 1989, 582) oder unter der Sonnenblende (OLG Hamm VersR 1998, 48).
Nichtverbringen des Fahrzeugs an einen sicheren Ort nach Verlust der Keyless-Go-Karte (OLG München VersR 2008, 1105).
Versehentliches Liegenlassen des Kofferraumschlüssels im Inneren des Wagens (Bauer, Kraftfahrtversicherung, Rn 1033; anders noch BGH VersR 1986, 962).
Schlüssel in der Tasche einer unbeaufsichtigten Jacke (Römer/Langheid, § 61 VVG Rn 62; OLG München VersR 1994, 1060; OLG Köln r+s 1997, 409, OLG Koblenz r+s 2003, 319); Offenhalten einer ebenerdigen Terrassentür zur Nachtzeit und Zurücklassen der Schlüssel eines hochwertigen Fahrzeugs an der Garderobe, während der Versicherungsnehmer in einem angrenzenden Zimmer schläft.[232]
Steckenlassen des Zündschlüssels, um Telefonzelle aufzusuchen (Römer/Langheid, § 61 VVG Rn 62; LG Traustein VersR 1993, 47; vgl. auch OLG Hamm NZV 1991, 195); um sich 2 m hinter das Fahrzeug (OLG Koblenz r+s 2008, 10) oder zu einem 3 m entfernten Obststand zu begeben (OLG Köln VersR 2002, 842); in einer europäischen Großstadt, um bei laufendem Motor einen Parkschein zu ziehen (OLG Koblenz zfs 2004, 367).
Überlassen des Fahrzeugs und der Schlüssel für Probefahrt, ohne sich der Identität des Kaufinteressenten zu vergewissern (Römer/Langheid, § 61 VVG Rn 62; LG Gießen VersR 1993, 348).
Wenn Versicherungsnehmer bei einer Probefahrt bei laufendem Motor aussteigt, um einem unbekannten Kaufinteressenten das Steuer zu überlassen und dieser unvermittelt ohne den Versicherungsnehmer losfährt (OLG Frankfurt NVersZ 2002, 320).
Einwurf der Kfz-Schlüssel in den ungesicherten Briefkasten eines Autohauses und Abstellen des Fahrzeugs auf dem unbewachten Betriebsgelände des Autohauses (OLG Köln VersR 2002, 604; OLG Celle NJW-RR 2005, 1192; OLG Celle DAR 2006, 152; OLG Hamm zfs 2006, 213).
Aufbewahrung der Kfz-Schlüssel durch den Kfz-Händler in mangelhaft bewachtem Büroraum (OLG Hamm VersR 1985, 489).
Verlust des Portemonnaie-Schlüssels des versicherten Kfz (OLG Nürnberg r+s 2003, 233) (Leistungsfreiheit wg. Gefahrerhöhung nach §§ 23 ff. VVG).
Versicherungsnehmer verlässt unverschlossenes Kfz mit steckendem Schlüssel und begibt sich außer Sichtweite (LG Dortmund SP 2003, 353); ebenso bei Bewachung des Kfz im ländlichen Gebiet durch einen frei laufenden Hund (LG Itzehoe VersR 2004, 192).
Unterlassen des Austauschs oder wenigstens der Umcodierung der verbliebenen Fahrzeugschlüssel nach Entwendung eines Fahrzeugschlüssels in einem Großmarkt (LG Coburg SP 2004, 94).
Sofern das Fahrzeug nach Verlust des Schlüssels auf dem Weg zur Wohnung ohne Schutzmaßnahmen erneut vor der Wohnung abgestellt wird und ein Minderjähriger daraufhin bei einer "Spritztour" mit dem Fahrzeug verunfallt, ist eine Kürzung um 100 % berechtigt (LG Kleve r+s 2011, 206).
Wenn das Fahrzeug mit den Schlüsseln entwendet worden ist, die trotz Vorhandenseins eines abschließbaren Spinds während der Nachtschicht in einem Korb in einem nicht abgeschlossenen Aufenthaltsraum eines Seniorenheims aufbewahrt worden sind, so ist von grob fahrlässiger Herbeiführung der Entwendung mit der Berechtigung zur Kürzung von 50 % auszugehen (OLG Koblenz r+s 2012, 430).
Das Zurücklassen der Fahrzeugschlüssel eines vor einer Sporthalle geparkten Kfz in der nicht abgeschlossenen Umkleidekabine ist grob fahrlässig und rechtfertigt eine Kürzung von 25 % (LG Berlin r+s 2013, 488).

(2) Grobe Fahrlässigkeit verneint

 

Rz. 153

Zurücklassen des Kfz-Briefs im Wagen, durch Erhalt auch des Kfz-Briefs dem Täter den Lohn seiner Tat sichert (BGH r+s 1995, 288; OLG Köln r+s 2003, 497 (unter Aufhebung der eigenen früheren Rspr.); OLG Düsseldorf VersR 1997, 304 für Zurücklassen des Kfz-Scheins im Pkw, da dies nicht kausal für die Entwendung sei.
Verstecken der Fahrzeugschlüssel unter dem Kopfkissen zur Nachtzeit (OLG Celle MDR 2008, 268).
Zweitschlüssel und Fahrzeugschein im nicht einsehbaren Handschuhfach belassen (OLG Karlsruhe r+s 2015, 226); ebenso beim Zurücklassen des Schlüssels in einer Jacke im Kofferraum, sofern die Ursächlichkeit des Zurücklassens für den Diebstahl spekulativ bleibt (OLG Koblenz VersR 2009, 1526; LG Düsseldorf SP 2004, 57).
Versicherungsnehmer lässt beim Tankvorgang den Zündschlüssel stecken und entfernt sich zur Bezahlung der Rechnung vom Fahrzeug, das zwischen zwei anderen Fahrzeugen eingeparkt ist, und Beifahrer hält sich beaufsichtigend am Fahrzeug auf und der Diebstahl wird in der Weise ausgeführt, dass die blockierten Fahrzeuge blitz...

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