Rolf Klutinius, Jan Therstappen
Rz. 218
Versicherer und Versicherungsnehmer bzw. mitversicherte Personen sind im Rechtsstreit einfache Streitgenossen.
Nach § 124 Abs. 1 VVG wirkt ein ganz oder teilweise klageabweisendes Urteil zwischen Geschädigtem und Versicherer auch zugunsten des Versicherungsnehmers bzw. der mitversicherten Personen; ergeht ein ganz oder teilweise klageabweisendes Urteil in einem Rechtsstreit zwischen Geschädigtem und Versicherungsnehmer bzw. mitversicherter Person, wirkt es auch zugunsten des Versicherers. Die Rechtskrafterstreckung des § 124 Abs. 1 VVG greift auch dann ein, wenn der Geschädigte Fahrzeughalter, Fahrer und Versicherer zusammen verklagt.
Hinweis
Von Anspruchstellern wird gelegentlich übersehen, dass bei Klageabweisung in erster Instanz die Berufung gegen sämtliche Parteien der Gegenseite gerichtet werden muss. Ansonsten wird das erstinstanzliche Urteil teilweise rechtskräftig und dies führt im Ergebnis dazu, dass die Berufung gem. § 124 Abs. 1 VVG aus Rechtsgründen unbegründet ist.
Rz. 219
Wird nämlich die Klage gegen alle Beklagten abgewiesen und nur wegen der Klageabweisung gegen einen Beklagten Berufung eingelegt, ist das Berufungsgericht im Hinblick auf die Rechtskrafterstreckung des rechtskräftig gewordenen Urteils gehindert, gegen den Berufungsbeklagten im Berufungsverfahren anders zu entscheiden.
Rz. 220
Für Urteile zugunsten des Geschädigten gilt § 124 Abs. 1 VVG nicht. Jedoch bestehen schon nach allgemeinem Versicherungsrecht Bindungswirkungen des Haftpflichturteils für den Deckungsprozess. Die rechtskräftige Entscheidung des Haftpflichtprozesses ist für den Deckungsprozess bindend. Keine Rechtskraft- oder Bindungswirkung besteht für eine im Adhäsionsverfahren auf Antrag des Verletzten (Geschädigten) gegen den Beschuldigten (Schädiger) ergangene Entscheidung gegenüber dem zuständigen KH-Versicherer.
Rz. 221
Behauptet der Haftpflichtversicherer, dass der Anspruchsteller in Kollusion mit dem Versicherungsnehmer Ansprüche aus einem fingierten Unfall geltend macht, kann und muss der Versicherer dem verklagten Versicherungsnehmer als Streithelfer beitreten, um eine ihn bindende Verurteilung des Versicherungsnehmers zu verhindern (vgl. oben Rdn 126).
Hinweis
Bestreitet der Versicherer seine Verpflichtung zur Gewährung von Versicherungsschutz, kann der Versicherungsnehmer auf Feststellung klagen, dass der Versicherer wegen einer im Einzelnen genau zu bezeichnenden Haftpflichtforderung Versicherungsschutz zu gewähren habe.
Hat der Versicherer gegen den im Haftpflichtprozess mitverklagten Fahrer den Vorwurf der Unfallmanipulation erhoben, muss er ihn im Rahmen seiner Rechtsschutzverpflichtung bei unberechtigtem Vorwurf von den Kosten für die Vertretung durch einen eigenen Rechtsanwalt freihalten, obwohl er ihm als Streithelfer beigetreten ist und der Anwalt des Versicherers für beide Klageabweisung beantragt hat.
Rz. 222
Eine Leistungsklage – Klage auf Befreiung von der Haftpflichtverbindlichkeit, also auf Befriedigung des Haftpflichtgläubigers – kommt i.d.R. nur in Betracht, wenn das Bestehen des Haftpflichtanspruchs rechtskräftig festgestellt ist.
Hinweis
Der Geschädigte kann Versicherer, Fahrzeughalter und Fahrer gemeinsam an dem Gerichtsstand des Unfallortes (§ 32 ZPO) verklagen.