Rolf Klutinius, Jan Therstappen
Rz. 69
Erlangt der Versicherungsnehmer Kenntnis von der Gefahrerhöhung, hat er dem Versicherer unverzüglich Anzeige zu erstatten (§§ 23 Abs. 2, Abs. 3 VVG).
a) Kündigungsrecht
Rz. 70
Bei Vornahme oder Gestattung einer Gefahrerhöhung nach § 23 Abs. 1 VVG kann der Versicherer nach § 24 Abs. 1 S. 1 VVG fristlos kündigen, es sei denn, den Versicherungsnehmer trifft lediglich einfache Fahrlässigkeit. Dabei wird grobe Fahrlässigkeit gesetzlich vermutet, so dass der Versicherer Vorsatz zu beweisen hat und die Beweislast für geringeres Verschulden als grobe Fahrlässigkeit beim Versicherungsnehmer liegt.
Bei einfacher Fahrlässigkeit kann der Versicherer gem. § 24 Abs. 1 S. 2 VVG mit Monatsfrist kündigen. Dies gilt auch in den Fällen der Gefahrerhöhung nach den §§ 23 Abs. 1 und Abs. 2 VVG. Der Versicherer muss die Kündigung nach § 24 Abs. 3 VVG binnen eines Monats nach Kenntnis von der Gefahrerhöhung erklären. Außer durch Ablauf der Monatsfrist erlischt gem. § 24 Abs. 3 Alt. 2 VVG das Kündigungsrecht, wenn der Zustand wiederhergestellt ist, der vor der Gefahrerhöhung bestanden hat.
b) Leistungsfreiheit
Rz. 71
Nach § 26 Abs. 1 VVG besteht bei der gewollten Gefahrerhöhung Leistungsfreiheit des Versicherers, wenn der Versicherungsfall nach vorsätzlicher Vornahme oder Gestattung der Gefahrerhöhung gem. § 23 Abs. 1 VVG eintritt. Vorsatz hat dabei der Versicherer zu beweisen. Bei grob fahrlässiger Gefahrerhöhung kann der Versicherer gem. § 26 Abs. 1 VVG bei Eintritt des Versicherungsfalls seine Leistung im Verhältnis zur Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers kürzen. Dabei wird eine grob fahrlässige Gefahrerhöhung vermutet, so dass der Versicherungsnehmer nach § 26 Abs. 1 S. 2 VVG die Beweislast für das Nichtvorliegen grober Fahrlässigkeit trägt. Bei einfach fahrlässiger Gefahrerhöhung bleibt der Versicherer zur Leistung verpflichtet.
Nach § 26 Abs. 3 VVG besteht aber keine Leistungspflicht des Versicherers soweit die Gefahrerhöhung nicht kausal für den Eintritt des Versicherungsfalls oder den Umfang der Leistungspflicht war oder wenn zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls die Kündigungsfrist bereits abgelaufen war und keine Kündigung erfolgte.
Rz. 72
Im Falle der objektiven Gefahrerhöhung nach § 23 Abs. 3 VVG sowie der nicht unverzüglichen Anzeige nach § 23 Abs. 2 VVG ist der Versicherer gem. § 26 Abs. 2 VVG von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer die vorgesehene Anzeige nicht erstattet hat und der Versicherungsfall später als einen Monat nach dem Zeitpunkt eintritt, in dem die Anzeige dem Versicherer hätte zugehen müssen.
Beispiel
Kenntnis des Versicherungsnehmers am |
1.1. |
fiktive Anzeige am |
3.1. |
Eingang fiktiver Anzeige bei dem Versicherer |
5.1. |
Monatsfrist gem. § 28 Abs. 1 VVG |
5.2. |
Leistungsfreiheit des Versicherers ab |
6.2. |
Bezüglich der Kausalität sowie der Rechtsfolgen einer nicht erfolgten Kündigung gilt das Gleiche wie bei der gewollten Gefahrerhöhung. Im Falle der objektiven Gefahrerhöhung sowie der Nichtanzeige wird, anders als bei der subjektiven Gefahrerhöhung, Vorsatz des Versicherungsnehmers vermutet.
Rz. 73
Nach § 26 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 VVG bleibt die Leistungspflicht bestehen, wenn dem Versicherer die Gefahrerhöhung in dem Zeitpunkt bekannt war, in welchem ihm die Anzeige hätte zugehen müssen.
Rz. 74
Nach § 26 Abs. 3 Nr. 1 VVG steht dem Versicherungsnehmer der Kausalitätsgegenbeweis offen. Die Leistungspflicht bleibt bestehen, wenn die Gefahrerhöhung weder Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls noch auf den Umfang der Leistung hatte (z.B. Unfall mit frisiertem Mofa bei 20 km/h).
Rz. 75
Hinweis
Die Leistungsfreiheit des Versicherers in der Kfz-Haftpflichtversicherung ist auf den Höchstbetrag von 5.000 EUR beschränkt (§ 5 Abs. 3 KfzPflVV). Diese Beschränkung der Leistungspflicht tritt gegenüber einem Fahrer nicht ein, der das Fahrzeug durch eine strafbare Handlung erlangt hat (§ 5 Abs. 3 S. 2 KfzPflVV).