Rolf Klutinius, Jan Therstappen
Rz. 32
In der Prozesspraxis sind Fälle häufig, in denen sich der Versicherer auf den rückwirkenden Wegfall des vorläufigen Deckungsschutzes wegen verspäteter Prämienzahlung nach B.2.4 AKB 2015 beruft. § 9 S. 2 KfzPflVV lässt den rückwirkenden Wegfall des Versicherungsschutzes zu. Zudem ergibt sich die Zulässigkeit aus § 52 Abs. 1 S. 2 VVG, wonach bei Nichtzahlung oder verspäteter Zahlung die vorläufige Deckung spätestens zu dem Zeitpunkt endet, zu dem der Versicherungsnehmer mit der Prämienzahlung in Verzug ist. Daraus wird in der Literatur zutreffend die Zulässigkeit des rückwirkenden Wegfalls der vorläufigen Deckung auch nach der VVG-Reform angenommen.
Der rückwirkende Wegfall der vorläufigen Deckung wegen nicht rechtzeitiger Einlösung des Versicherungsscheines ist nach B.2.4 AKB an folgende Voraussetzungen geknüpft:
1. |
unveränderte Annahme des Antrags auf Abschluss des Hauptvertrages |
2. |
Nichtzahlung der Erstprämie binnen der Frist aus B.2.4 AKB, also spätestens 2 Wochen nach Ablauf von 2 Wochen nach Zugang des Versicherungsscheins |
3. |
Verschulden des Versicherungsnehmers |
4. |
ausdrückliche schriftliche Belehrung des Versicherungsnehmers bei Anforderung der Erstprämie über die Rechtsfolgen der verspäteten Zahlung |
5. |
korrekte Berechnung und Anforderung der Erstprämie durch den Versicherer. |
Der Versicherungsvertrag und auch die vorläufige Deckungszusage ist nicht deshalb gem. § 134 BGB nichtig, weil das versicherte Kraftfahrzeug objektiv nicht zum Straßenverkehr hätte zugelassen werden dürfen.
Rz. 33
Die Voraussetzungen des rückwirkenden Wegfalls der vorläufigen Deckung bei Nichtzahlung der Erstprämie – und damit auch das Verschulden des Versicherungsnehmers – muss der Versicherer beweisen, weil es sich um eine auflösende Bedingung handelt. Der Versicherer muss also zunächst einmal den Zugang der Police und der Erstprämienanforderung sowie das Zugangsdatum nachweisen. Dabei kann er sich nicht auf einen Anscheinsbeweis stützen, dass Postsendungen nach einer bestimmten Frist den Empfänger zu erreichen pflegen. Der Zugangsnachweis kann aber durch Indizien geführt werden.
Hinweis
Eine ordnungsgemäße Erstprämienanforderung, welche die Wirkungen des B.2.4 auslösen kann, liegt nur dann vor, wenn mit zutreffender Bezifferung und richtiger Kennzeichnung derjenige Betrag ausgewiesen ist, den der Versicherungsnehmer aufwenden muss, um den Versicherungsschutz aus der vorläufigen Deckung aufrechtzuerhalten.
Rz. 34
Wenn der Versicherer die Erst- und Folgeprämie gleichzeitig anfordert, muss die Erstprämie erkennbar gesondert ausgewiesen und der Versicherungsnehmer darüber belehrt werden, dass der Fortbestand des Versicherungsschutzes aus der vorläufigen Deckung nur von der Zahlung der Erstprämie abhängt. Ist vierteljährige Zahlung vereinbart, liegt keine korrekte Erstprämienanforderung vor, wenn der Erstbeitrag beispielsweise für den Zeitraum vom 22.8. bis zum 1.1. angefordert wird, weil der Versicherer in den Quartalsrhythmus kommen will. Die Erstprämie muss nach den einzelnen Sparten (KH, Kasko, Kraftfahrtunfall) aufgeschlüsselt werden. Im Lastschriftverfahren muss der Versicherungsnehmer lediglich bei korrekter Bezifferung und Kennzeichnung des einzuziehenden Betrages und nach Aushändigung des Versicherungsscheins für Deckung auf seinem Konto sorgen. Eine unzureichende Deckung seines Kontos kann ihm nicht vorgeworfen werden, wenn die Belehrung erst zeitlich nach dem Abbuchungsversuch zugegangen ist. Da im Lastschriftverfahren die Buchungen entweder vollständig oder gar nicht ausgeführt werden können, muss für die erste Prämie eine gesonderte Lastschrift ausgestellt werden.
Rz. 35
Die Rechtsfolgen des B.2.4 AKB treten nur ein, wenn der Versicherungsnehmer bei Anforderung der Einlösungsprämie ordnungsgemäß über die Folgen verspäteter Zahlung und die Gefahr rückwirkenden Wegfalls des Versicherungsschutzes belehrt worden ist. Dieser Hinweis muss deutlich an hervorgehobener Stelle erfolgen; er muss sachlich richtig und verständlich sein.
Rz. 36
Die Belehrung ist fehlerhaft, wenn
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die Belehrung lediglich den Hinweis enthält, dass die Zahlung "rechtzeitig" erfolgen muss; |
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der Hinweis fehlt, dass Leistungsfreiheit nur bei schuldhafter Versäumung der Einlösungsfrist eintritt; |
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nicht darauf hingewiesen wird, dass bei unverschuldeter Versäumung der Einlösungsfrist die nachträgliche Zahlung den Versicherungsschutz auch für die Vergangenheit erhält; |
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bei mehreren Verträgen nicht darauf hingewiesen wird, dass der Versicherungsnehmer durch Teilzahlung des Betrages für die KH-Versicherung sich den Versicherungsschutz für diesen Vertrag erhalten kann; |
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die Belehrung nicht drucktechnisch hervorgehoben ist und deutlich hervortritt; |
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der Versicherer nicht darauf hinweist, dass für die Wahrung der Widerspruchsfrist die rechtzeitige Absendung genügt. |
Rz. 37
Die Berufung des Versicherers auf den Wegfall der vorläufigen Deckung verstößt gegen Treu und Glauben...