Entscheidungsstichwort (Thema)
Kfz-Haftpflichtversicherung. vorläufige Deckung. Erstprämie. Belehrung
Normenkette
KFZPFLVV § 9 S. 2; VVG § 5a
Gründe
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung von Kraftfahrzeug Haftpflichtversicherungsschutz für den Unfall vom 01.12.1996. Maßgeblich ist insoweit die von der Beklagten erteilte vorläufige Deckungszusage, da der Unfall vor der Ausfertigung des Versicherungsscheins geschehen ist. Die vorläufige Deckung ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nach § 1 Nr. 4 der vereinbarten Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) rückwirkend außer Kraft getreten. Die Voraussetzungen für einen derartigen rückwirkenden Wegfall des Versicherungsschutzes liegen nicht vor.
Unabdingbare Voraussetzung für ein nachträgliches Entfallen des Versicherungsschutzes mangels Zahlung der Versicherungsprämie ist eine wirksame Prämienaufforderung seitens des Versicherers; dies erfordert eine an den Versicherungsnehmer gerichtete und inhaltlich ordnungsgemäße Beitragsrechnung (BGH VersR 1985, 533; BGH VersR 1986, 54; BGH VersR 1996, 445; OLG Hamm VersR 1982, 867; OLG Köln r + s 1988, 253; Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 1 AKB Rn. 13; Bauer, Kraftfahrtversicherung, 4. Aufl., Rn. 228; Stiefel/Hofmann, Kraftfahrtversicherung, 16. Aufl., § 1 Rn. 79; Feyock/Jacobsen/Lemor, Kraftfahrtversicherung, § 1 AKB Rn. 26).
Der Senat kann vorliegend dahinstehen lassen, ob der Klägerin ein am 04.02.1997 ausgefertigter Versicherungsschein tatsächlich zugegangen ist oder ob von einem solchen Zugang jedenfalls aufgrund eines im ersten Rechtszug von der Klägerin abgegebenen Geständnisses gemäß §§ 288, 532 ZPO ausgegangen werden muß. Der Zugang eines Versicherungsscheins mit dem Inhalt des als Zweitschrift von der Beklagten vorgelegten Schriftstücks mit Datum vom 11.03.1998 kann unterstellt werden. Auch wenn der Klägerin ein entsprechender Versicherungsschein zugegangen sein sollte, würde dieser nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Beitragsrechnung genügen. Den von der Rechtsprechung aufgestellten strengen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Prämienanforderung liegt die Erwägung zugrunde, daß der Versicherungsnehmer wegen der einschneidenden Folgen einer Nichtzahlung genau und zuverlässig darüber informiert werden soll, welcher Betrag tatsächlich von ihm gezahlt werden muß (BGH VersR 1986, 54). Die von der Beklagten ausweislich des vorgelegten Schriftstücks vorgenommene Prämienberechnung ist – ersichtlich – falsch. Der Jahresbeitrag soll einschließlich Versicherungssteuer 225,10 DM betragen. Gleichwohl soll sich aus diesem Betrag für die Zeit vom 26.11.1996 bis zum 01.01.1997 ein Erstbeitrag von 87,50 DM errechnen. Danach würde die Prämie für gut einen Monat mehr als 1/3 der Jahresprämie betragen. Für den Empfänger einer solchen Rechnung liegt es auf der Hand, daß entweder der Jahresbeitrag, der Erstbeitrag oder sogar beide Beiträge falsch berechnet worden sind. Ein derart wirres Zahlenwerk stellt – offensichtlich – keine ordnungsgemäße Beitragsrechnung dar.
Nach ständiger Rechtsprechung ist zudem die für den säumigen Versicherungsnehmer in der Regel nicht vorhersehbare und überraschende Konsequenz der nicht fristgerechten Einlösung des Versicherungsscheins nur gerechtfertigt, wenn er richtig und vollständig sowie in der gebotenen Klarheit und Verständlichkeit über die Rechtslage informiert worden ist (BGH VersR 1985, 981, 983; OLG Hamm VersR 1991, 220, 221; OLG Düsseldorf VersR 1993, 737; OLG Hamm r + s 1995, 403; OLG Köln r + s 1997, 406; OLG Düsseldorf ZfS 1997, 377). Die Pflicht zur Belehrung ergibt sich neuerdings auch aus § 9 S. 2 KfzPflVV.
Vorliegend ist die Belehrung der Beklagten jedenfalls hinsichtlich der Zahlungsfrist für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer unverständlich. Insoweit heißt es in dem vorgelegten Schriftstück: „Wenn Sie nicht spätestens innerhalb von zwei Wochen nach Ablauf der Widerspruchsfrist gemäß § 5 a Versicherungsvertragsgesetz (VVG) den Versicherungsschein einlösen, d. h. den Erstbeitrag zahlen und die Nichtzahlung von Ihnen zu vertreten ist, geht der Versicherungsschutz rückwirkend verloren…”. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ist nicht in der Lage, die Zahlungsfrist ohne Einholung rechtskundiger Beratung zu ermitteln. Denn aus der Belehrung selbst läßt sich nicht entnehmen, wann die Widerspruchsfrist nach § 5 a VVG abläuft. Der Gesetzestext der Vorschrift ist nicht abgedruckt. Dies allein würde allerdings auch nicht genügen, um einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer in zumutbarer Weise eine Fristberechnung zu ermöglichen. Denn der Beginn des Laufs der Frist ist in § 5 a Abs. 2 VVG geregelt, der zum Teil auf die Voraussetzungen des § 5 a Abs. 1 VVG verweist, in welchem wiederum u. a. auf § 10 a VAG Bezug genommen wird. Der bloße Verweis auf eine zumindest für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer äußerst komplizierte gesetzliche Regelung stellt keine ausreichende Rechtsbelehrung dar. Vielmehr wäre es...