Leitsatz
Die in der Kfz-Haftpflichtversicherung erteilte vorläufige Deckungszusage tritt trotz nicht fristgerechter Zahlung der im Versicherungsschein angeforderten Erstprämie wegen ungenügender Belehrung des VN nicht rückwirkend außer Kraft, wenn die Belehrung lautet: "Wenn Sie nicht spätestens innerhalb von zwei Wochen nach Ablauf der Widerspruchsfrist gem. § 5a VVG den Versicherungsschein einlösen, d. h. den Erstbeitrag zahlen, und die Nichtzahlung von Ihnen zu vertreten ist, geht der Versicherungsschutz rückwirkend verloren."
Normenkette
§ 1 Abs. 4 AKB, § 9 S. 2 KfzPflVV, § 5a VVG
Sachverhalt
Die Bekl. hat der Kl. vorläufige Deckungszusage für eine Kfz-Haftpflichtversicherung erteilt. Für einen vor Ausfertigung des Versicherungsscheins entstandenen Unfall beansprucht die Kl. Gewährung von Kfz-Haftpflichtversicherungsschutz aufgrund dieser vorläufigen Deckungszusage. Die Bekl. lehnte die Regulierung ab, weil die Kl. die im Versicherungsschein angeforderte Erstprämie nicht fristgerecht gezahlt habe.
Das OLG hat der Klage stattgegeben.
Entscheidung
Die Kl. habe nach den Ausführungen des OLG gegen die Bekl. einen Anspruch auf Gewährung von Kfz-Haftpflichtversicherungsschutz aus dem in Rede stehenden Unfall. Maßgebend sei insoweit die von der Bekl. erteilte vorläufige Deckungszusage, da der Unfall vor Ausfertigung des Versicherungsscheins geschehen sei. Die vorläufige Deckung sei entgegen der Auffassung der Bekl. nicht nach § 1 Abs. 4 AKB rückwirkend außer Kraft getreten. Die Voraussetzungen für einen derartigen rückwirkenden Wegfall des Versicherungsschutzes lägen nicht vor …
Nach ständiger Rechtsprechung sei die für den säumigen VN in der Regel nicht vorhersehbare und überraschende Konsequenz der nicht fristgerechten Einlösung des Versicherungsscheins nur gerechtfertigt, wenn er richtig und vollständig sowie in der gebotenen Klarheit und Verständlichkeit über die Rechtslage informiert worden sei (BGH VersR 85, 981 u. a.). Die Pflicht zur Belehrung ergebe sich neuerdings auch aus § 9 S. 2 KfzPflVV. Vorliegend sei die Belehrung der Bekl. jedenfalls hinsichtlich der Zahlungsfrist für einen durchschnittlichen VN unverständlich. Insoweit heißt es in dem vorgelegten Schriftstück:
"Wenn Sie nicht spätestens innerhalb von zwei Wochen nach Ablauf der Widerspruchsfrist gem. § 5a VVG den Versicherungsschein einlösen, d. h. den Erstbeitrag zahlen, und die Nichtzahlung von Ihnen zu vertreten ist, geht der Versicherungsschutz rückwirkend verloren."
Ein durchschnittlicher VN sei nicht in der Lage, die Zahlungsfrist ohne Einholung rechtskundiger Beratung zu ermitteln. Denn aus der Belehrung selbst lasse sich nicht entnehmen, wann die Widerspruchsfrist nach § 5a VVG ablaufe. Der Gesetzestext der Vorschrift sei nicht abgedruckt. Dies allein würde allerdings auch nicht genügen, um einem durchschnittlichen VN in zumutbarer Weise eine Fristberechnung zu ermöglichen. Denn der Beginn des Laufs der Fristberechnung sei in § 5a Abs. 2 VVG geregelt, der z. T. auf die Voraussetzungen des § 5a Abs. 1 VVG verweise, in dem wiederum u. a. auf § 10 a VAG Bezug genommen werde.
Der bloße Verweis auf eine zumindest für einen durchschnittlichen VN äußerst komplizierte gesetzliche Regelung stelle keine ausreichende Rechtsbelehrung dar. Vielmehr wäre es erforderlich gewesen, dass die Bekl. eine Erläuterung gegeben hätte, die es der Kl. ermöglicht hätte, den Fristablauf aus der Belehrung selbst zu entnehmen. Die Kl. habe mithin die Verspätung ihrer Leistung (Zahlung) nicht zu vertreten.
Link zur Entscheidung
OLG Oldenburg (Oldenburg), Urteil vom 02.12.1998, 2 U 197/98