Rolf Klutinius, Jan Therstappen
Rz. 278
In A.2.2.2.1 AKB wird ausdrücklich klargestellt, dass in der Vollkaskoversicherung auch sämtliche Tatbestände der Teilkaskoversicherung mitversichert sind. Die Vollkaskoversicherung erweitert zudem die Risiken der Teilkaskoversicherung um zwei wesentliche Schadenursachen: Unfall und mut- oder böswillige Handlungen betriebsfremder Personen.
1. Unfall, A.2.2.2.2 AKB
Rz. 279
Versicherungsschutz besteht für Schäden, die durch einen Unfall entstehen, also "durch ein unmittelbar von außen her plötzlich mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis". Der Versicherungsnehmer hat für den Nachweis eines Unfalls grundsätzlich den Vollbeweis zu erbringen.
Hinweis
Das Merkmal der "Unfreiwilligkeit" gehört nicht zum Unfallbegriff und damit nicht zu den vom Versicherungsnehmer zu beweisenden Tatsachen. Beruft sich der Versicherer auf ein freiwilliges, d.h. vorsätzlich herbeigeführtes Unfallereignis, muss er den Vorsatz des Versicherungsnehmers als Voraussetzung seiner Leistungsfreiheit nach § 81 VVG beweisen. Sofern der Versicherungsnehmer bei Verdacht auf ein gestelltes Unfallereignis mit einem vorgeschädigten Kfz lediglich ein einziges Unfallereignis behauptet, muss der Versicherungsnehmer nachweisen, dass alle geltend gemachten Schäden auf ein und dasselbe Unfallereignis zurückzuführen sind.
Rz. 280
Die Beschädigung eines Kfz durch Verwesung und die damit einhergehende Freisetzung von Körperflüssigkeiten und -gerüchen nach dem Suizid eines Insassen beruht nicht auf einem Unfall. Ein versicherter Unfall ist ausgeschlossen, sofern das Fahrzeug durch ein eigenes Fahrzeugteil beschädigt wird, auch wenn sich das Fahrzeugteil während der Fahrt löst und nach seiner Ablösung zum Hindernis für das versicherte Fahrzeug wird. Scheidet ein versicherter Unfall bereits aus diesem Grunde aus, kommt es auf die weiteren rein erläuternden Einschränkungen des Unfallbegriffs in A.2.2.2.2 AKB (vgl. Rdn 282) und insbesondere die Auslegung und Transparenz des Begriffs des nicht versicherten "Betriebsvorgangs" nicht mehr an.
Rz. 281
In den AKB 2015 sind aus Transparenzgründen die Regelungen zur Abgrenzung zwischen versichertem Unfall und nicht versichertem Schaden sprachlich neu gefasst worden. Ohne materielle Änderung ist auf die früher verwendeten Oberbegriffe "Brems- oder Betriebsschaden" bewusst verzichtet worden. Nicht zu Unfallschäden zählen nach A.2.2.2.2 S. 3 AKB insbesondere
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Schäden am Fahrzeug, die ihre alleinige Ursache in einem Bremsvorgang haben, |
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Schäden am Fahrzeug, die ausschließlich aufgrund eines Betriebsvorgangs eintreten, |
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Schäden am Fahrzeug, die ihre alleinige Ursache in einer Materialermüdung, Überbeanspruchung oder Abnutzung haben, |
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Schäden zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug oder Anhänger ohne Einwirkung von außen und |
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Verwindungsschäden. |
Bremsschäden sind Schäden, die allein durch den Bremsvorgang unmittelbar am Fahrzeug entstehen, ohne dass es zu einer Kollision mit einem anderen Fahrzeug oder Gegenstand gekommen ist. Ein nicht versicherter Bremsschaden liegt auch vor, wenn durch heftiges Bremsen die Ladung verrutscht und dadurch ein Schaden am Kraftfahrzeug entsteht. Trotz des Risikoausschlusses kann es sich bei einem durch verrutschte Ladung entstandenen Schaden um erstattungsfähige Rettungskosten i.S.d. § 90 VVG handeln.
Rz. 282
Ausgeschlossen sind weiter Schäden, die allein durch Bedienungsfehler (z.B. Herunterschalten bei Automatikgetriebe von der vierten auf die erste Schaltstufe bei hoher Geschwindigkeit) entstehen, ferner Schäden, die durch die normale Abnutzung und Materialfehler am Fahrzeug entstehen, sowie Schäden aufgrund von Risiken, denen das Fahrzeug aufgrund seines Verwendungszweckes im gewöhnlichen Fahrbetrieb ausgesetzt ist. Bei einem Sportwagen gehört das Überfahren einer Bordsteinkante zum normalen Betrieb, so dass das Aufschlagen von Reifenstücken auf der Karosserie bei einem später daraus resultierenden Reifenplatzer bei hohem Tempo auf der Autobahn keinen Unfall im Sinne der Kaskoversicherung darstellt. Auch ein Verwindungsschaden, der durch das Einsinken eines beladenen Lkw auf sandigem Grund entsteht, ist dem Betriebsrisiko zuzurechnen und damit kein Unfallschaden. Es stellt einen Bedienfehler und damit einen nicht versicherten Betriebsschaden dar, wenn ein Lkw bei einem ohne vorgesehene Sicherheitsbolzen erfolgten Kippvorgang beschädigt wird. Ein Schaden durch Aufspringen der Motorhaube während der Fahrt ist ein Betriebsschaden. Ein durch die Betankung mit falschem Kraftstoff entstandener Motorschaden ist ebenfalls ein nicht versicherter Betriebsschaden. Das Anstoßen gegen einen starren Gegenstand sowie ein daraus resultierender Motorschaden wegen Heißlaufens aufgrund eines Lecks im Kühler, ist ein versicherter Unfallschaden und kein Betriebsschaden. Die beim Umkippen eines Lkw durch das Aufschlagen auf den Boden und die durch den Sturz eines Lkw in einen Abgrund entstandenen Schäden sind Unfallschäden und keine B...