Rolf Klutinius, Jan Therstappen
Rz. 242
Die Regulierung von Verkehrsunfällen im Ausland ist in den KH-Richtlinien der EU vereinheitlicht und verbraucherfreundlich umgesetzt worden. Die 6. KH-Richtlinie wurde am 16.4.2024 vom deutschen Gesetzgeber umgesetzt. Ziel der Richtlinien ist es, die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen im EU-Ausland zu vereinfachen.
Rz. 243
Die Säulen des Systems sind:
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In jedem Mitgliedstaat der EU gibt es eine zentrale Auskunftsstelle, an die sich der Geschädigte wenden kann, um die zur Schadenregulierung notwendigen Daten und Informationen zu erhalten (in Deutschland der Zentralruf der Autoversicherer in Hamburg, § 8a PflVG). |
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Die Versicherungen müssen in jedem Mitgliedstaat – außer jenem ihres Sitzes – einen Schadenregulierungsbeauftragten benennen, der den Schaden in der jeweiligen Landessprache regulieren kann (für die in Deutschland ausgegebenen Kfz-Haftpflichtpolicen bestimmt dies § 7b VAG). |
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Ein Schaden aus einem Verkehrsunfall ist innerhalb einer Frist von drei Monaten zu regulieren; gelingt dies innerhalb der Frist nicht, so muss der Geschädigte vor Ablauf der Frist eine schriftlich begründete Mitteilung erhalten, aus welchem Grund die Verzögerung eingetreten ist (§ 3a PflVG). |
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Wird diese Frist versäumt, so regulieren Entschädigungsstellen, die durch die Mitgliedstaaten einzurichten oder anzuerkennen sind, den Schaden und rechnen mit der zuständigen ausländischen Versicherung ab (in Deutschland kann sich der Geschädigte bei Nichteinhaltung gem. § 13a PflVG an die Verkehrsopferhilfe wenden, die nunmehr nach der 6. KH-Richtlinie die Stellung eines Insolvenzfonds hat). |
Rz. 244
Einen Gerichtsstand des Geschädigten an seinem Wohnort sieht die 5. KH-Richtlinie vom 11.5.2005 vor. Zuvor war umstritten, ob der Geschädigte auch dann eine Direktklage an seinem Wohnsitz erheben kann, wenn sich der Unfall im Ausland ereignete. Teilweise ist die Auffassung vertreten worden, dass ein im Ausland geschädigter deutscher Verkehrsteilnehmer seinen Direktanspruch gegen den in einem EU-Mitgliedsland ansässigen KH-Versicherer des Schädigers an seinem Wohnsitzgerichtsstand in Deutschland einklagen kann.
Rz. 245
Bei einer Klage des Geschädigten für den Kaskoversicherer in gewillkürter Prozessstandschaft oder aus abgetretenem Recht besteht keine Zuständigkeit deutscher Gerichte nach einem Unfall im Ausland. Für Sozialversicherungsträger besteht ebenfalls kein Gerichtsstand im Inland. Eine juristische Person kann nach einem Unfall im Ausland in der Regel an ihrem Sitz klagen. Etwas anders gilt, wenn die juristische Person auch in dem Mitgliedstaat tätig ist, in dem der gegnerische Versicherer seinen Sitz hat, da sie dann nicht schützenswert im Sinne einer schwächeren Partei ist. Eine bundesweit tätige Leasinggesellschaft kann bei einem Unfall im Ausland ebenfalls nicht im Inland klagen. Ein sich auf die Abtretung des Geschädigten berufender Sachverständiger kann in Höhe der entstandenen Gutachterkosten ebenfalls nicht am Wohnsitz des Geschädigten klagen.
Hinweis
Bei Unfällen in der Schweiz bestehen trotz der Nichtzugehörigkeit der Schweiz zur EU nach den Vorschriften des Luganer Übereinkommens ebenfalls ein Wohnsitzgerichtsstand des Geschädigten und damit die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte.
Rz. 246
Die eigentlich durch die Umsetzung der 5. KH-Richtlinie erforderliche Schaffung eines ausdrücklichen Wohnsitzgerichtsstands gegen ausländische Versicherer in nationales Recht ist bislang nicht erfolgt. In der Literatur wird insoweit jedoch die Auffassung vertreten, dass es sich bei Art. 5 Nr. 1 der 5. KH-Richtlinie ohnehin um eine Rechtsfolgenverweisung handelt, so dass keine Umsetzung erforderlich ist, da primäres Gemeinschaftsrecht ohnehin unmittelbare Geltung besitze. Hinzu kommt, dass durch das Urteil des BGH die Umsetzung auch deshalb nicht mehr unbedingt erforderlich ist, da nach BGH nach geltendem Recht ohnehin ein Wohnsitzgerichtsstand besteht. Ein im Ausland geschädigter deutscher Verkehrsteilnehmer kann seinen Direktanspruch gegen den in einem EU-Mitgliedsland ansässigen KH-Versicherer des Schädigers somit an seinem Wohnsitzgerichtsstand in Deutschland einklagen. Dabei war in der Vergangenheit umstritten, ob die Klage gegen den ausländischen KH-Versicherer diesem im Ausland zugestellt werden musste oder eine Zustellung im Inland beim deutschen Schadensregulierungsbeauftragten ausreichend war. Zwischenzeitlich hat der EuGH klargestellt, dass der Schadensregulierungsbeauftragte zustellungsbevollmächtigt ist und damit Zustellung im Inland erfolgen kann.