Rolf Klutinius, Jan Therstappen
A. Rechtsquellen und Versicherungsbedingungen
I. Versicherungsvertragsgesetz (VVG)
Rz. 1
Die wichtigste gesetzliche Rechtsquelle des Versicherungsvertragsrechts ist das Gesetz über den Versicherungsvertrag (VVG), zuletzt grundlegend reformiert durch die am 1.1.2008 in Kraft getretene VVG-Reform.
II. Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG)
Rz. 2
Versicherungsunternehmen mit Sitz in der europäischen Gemeinschaft erhalten in ihrem jeweiligen Herkunftsland einen "europäischen Pass", durch den sie in sämtlichen Mitgliedstaaten tätig werden dürfen. Sie unterliegen hierbei nur der Rechts- und Finanzaufsicht des jeweiligen Herkunftsstaates.
Das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen ist seit dem 1.5.2002 mit dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen und dem Wertpapierhandel zu einer einheitlichen Behörde, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin), verschmolzen worden. Die deutschen Versicherungsunternehmen werden damit auch weiterhin der Rechts- und Finanzaufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unterstellt. Die Inhaltskontrolle der allgemeinen Versicherungsbedingungen erfolgt durch die gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere §§ 305 ff. BGB. Allerdings ist die BaFin befugt, Maßnahmen gegen Versicherungsunternehmen zu ergreifen, die geeignet und erforderlich sind, einen Missstand zu vermeiden oder zu beseitigen (§ 81 Abs. 1 und 2 VAG).
III. Pflichtversicherungsgesetz (PflVG)
Rz. 3
Für die Kfz-Haftpflichtversicherung enthält, trotz Übernahme einiger wichtiger Regelungen in das VVG durch die VVG-Reform, das zuletzt am 6.2.2017 geänderte Gesetz über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter vom 5.4.1965 wichtige Spezialvorschriften. Das Pflichtversicherungsgesetz wird ergänzt durch das Gesetz über die Haftpflichtversicherung für ausländische Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger (AuslPflVG) vom 24.7.1956.
IV. Verordnung über den Versicherungsschutz in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (KfzPflVV)
Rz. 4
Die zuletzt am 13.1.2012 geänderte Kraftfahrzeug-Pflichtversicherungsverordnung (KfzPflVV) vom 29.7.1994 regelt, gestützt auf § 4 Abs. 1 PflVG, den Mindestinhalt und den Umfang des Versicherungsschutzes in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung. Der Versicherer ist verpflichtet, den vom Verordnungsgeber vorgesehenen Mindeststandard des Verkehrsopfer- und Versicherungsnehmerschutzes den von ihm verwendeten AKB zugrunde zu legen.
V. Die 4. und 5. KH-Richtlinie
Rz. 5
Der deutsche Gesetzgeber hat mit Wirkung vom 1.1.2003 die 4. Kraftfahrzeug-Richtlinie umgesetzt durch Ergänzung des Pflichtversicherungsgesetzes: Schadenersatzansprüche aus Auslandsunfällen mit Ausländern können beim Deutschen Büro Grüne Karte e.V., Wilhelm Straße 43/43g, 10117 Berlin, geltend gemacht werden. Die 5. KH-Richtlinie ist in Deutschland am 10.12.2007 umgesetzt worden. Sie enthält im Wesentlichen eine Erhöhung der Mindestversicherungssummen und – für die Praxis besonders bedeutsam – den Gerichtsstand des Geschädigten, der aus einem Auslandsunfall Ansprüche geltend machen möchte.
VI. Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB)
Rz. 6
Durch das Dritte Durchführungsgesetz/EWG zum VAG vom 21.7.1994 entfiel die Genehmigungspflicht Allgemeiner Versicherungsbedingungen durch das ehemalige Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen (BAV). Die Versicherer können ihre Bedingungen seit dem in den Grenzen der Kraftfahrzeug-Pflichtversicherungsverordnung und der AGB-rechtlichen Vorschriften der §§ 305–310 BGB frei gestalten. Um die Einheitlichkeit der in der Kraftfahrtversicherung verwendeten Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) nach Möglichkeit einigermaßen aufrechtzuerhalten, hat der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) Musterbedingungen empfohlen, die von den Versicherern übernommen werden können. Die aktuellen Musterbedingungen sind am 6.7.2016 bekannt gegeben worden und im Download zu diesem Werk zu finden.
Hinweis
Die individuellen Gestaltungsmöglichkeiten der Versicherer machen es stets erforderlich, in jedem Einzelfall die bei Vertragsschluss vereinbarten Bedingungen zu überprüfen.
Redaktioneller Hinweis
Soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen den nachfolgenden Ausführungen immer die aktuellen und nach Inkrafttreten der VVG-Reform bekannt gegebenen AKB 2015 des GDV in der Fassung vom 6.7.2016 zugrunde.
Rz. 7
Die AKB sind in 14 Teile gegliedert:
▪ |
A. Welche Leistung umfasst Ihre Kfz-Versicherung? |
▪ |
B. Beginn des Vertrages und vorläufiger Versicherungsschutz |
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C. Beitragszahlung |
▪ |
D. Welche Pflichten haben Sie beim Gebrauch des Fahrzeugs? |
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E. Welche Pflichten haben Sie im Schadenfall? |
▪ |
F. Rechte und Pflichten der mitversicherten Personen |
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G. Laufzeit und Kündigung des Vertrages, Veräußerung des Fahrzeugs |
▪ |
H. Außerbetriebsetzung, Saisonkennzeichen, Fahrten mit ungestempelten Kennzeichen |
▪ |
I. Schadenfreiheitsrabatt-System |
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J. Beitragsänderung aufgrund tariflicher Maßnahmen |
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K. Beitragsänderung aufgrund eines bei Ihnen eingetretenen Umstands |
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L. Meinungsverschiedenheiten und Gerichtsstände |
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M. Zahlungsweise |
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N. Bedingungsänderung |
B. Geltung des VVG 2008 für Neu- und Bestandsverträge
I. Neuverträge
Rz. 8
Das aktuelle VVG gilt seit seinem Inkrafttreten zum 1.1.2008 für alle ab diesem Zeitpunkt geschlossenen Neuverträge. Maßgebliches Abgrenzungskriterium ist nach Art. 1 Abs. 1 EGVVG der Zeitpunkt des Vertragsschlusses (formeller Versicherungsbeginn), so dass das aktuelle V...