I. Kündigungsmöglichkeit
Rz. 68
Ist das Mandat einmal angenommen, kann es vorzeitig durch den Anwalt oder Mandanten jederzeit durch Kündigung beendet werden. § 675 Abs. 1 BGB regelt, dass auf einen Dienstvertrag oder einen Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, soweit in diesem Untertitel nichts Abweichendes bestimmt wird, die Vorschriften der §§ 663, 665 bis 670, 672 bis 674 und, wenn dem Verpflichteten das Recht zusteht, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen, auch die Vorschriften des § 671 Abs. 2 BGB entsprechende Anwendung finden.
Rz. 69
Eine Kündigung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie muss daher der Gegenseite zugehen, damit sie wirksam werden kann. Es sollte daher darauf geachtet werden, dass der Zugang der Kündigung auch nachgewiesen werden kann. Eine öffentliche Zustellung einer Mandatskündigung verbietet sich wg. § 43a Abs. 2 BRAO, § 2 BORA, auch wenn der Mandant nicht mehr erreichbar ist. Anwälte sollten in solchen Fällen alle Versuche, den Mandanten zu erreichen und auch etwaige Einwohnermeldeamtsanfragen dokumentieren.
Rz. 70
Eine Kündigung durch den Anwalt sollte jedoch nie zur Unzeit (kurz vor einem Verhandlungs- oder Scheidungstermin, kurz vor Fristablauf, bei fehlender ausreichend verbleibender Zeit, einen anderen Anwalt zu finden, etc.) erfolgen, um den Mandanten vor Schaden zu bewahren. Es darf nicht vergessen werden, dass Anwälte als unabhängige Organe der Rechtspflege und Freiberufler eine besondere Stellung in der Gesellschaft und im Rechtswesen genießen. Die sich hieraus ergebenden Nebenpflichten aus dem Anwaltsvertrag sowie die Berufspflichten (vgl. auch § 43 BRAO) von Anwälten sind höher, als bei einem "normalen Unternehmer". § 627 Abs. 2 BGB regelt zudem:
Zitat
"(2) 1Der Verpflichtete darf nur in der Art kündigen, dass sich der Dienstberechtigte die Dienste anderweit beschaffen kann, es sei denn, dass ein wichtiger Grund für die unzeitige Kündigung vorliegt. 2Kündigt er ohne solchen Grund zur Unzeit, so hat er dem Dienstberechtigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen."
Rz. 71
Ob bei einer Kündigung des Mandats dem Anwalt noch ein Vergütungsanspruch zusteht, hängt vom Einzelfall ab. Grundsätzlich steht dem Anwalt das Honorar für erbrachte Leistungen zu; bei vertragswidrigem Verhalten kann sich natürlich ein aufrechenbarer Schadenersatzanspruch des Mandanten ergeben, der zu einem gänzlichen oder teilweisen Erlöschen des Vergütungsanspruchs führt.
Rz. 72
Besondere Beachtung spielt daher auch die Frage, ob bei einer durch vertragswidriges Verhalten des Anwalts ausgelösten Kündigung dem Mandanten ein Schadenersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB zusteht, oder nicht. Der BGH ist der Auffassung, dass in einem solchen Fall die 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt sein muss. Die nachstehende Entscheidung kann analog auch auf die Kündigung des Anwalts angewendet werden:
Zitat
"Dem Mandanten steht nach einer durch ein vertragswidriges Verhalten des Rechtsanwalts veranlassten Kündigung ein Schadensersatzanspruch nur zu, wenn das vertragswidrige Verhalten des Rechtsanwalts einen wichtigen Kündigungsgrund bildet und die insoweit zu beachtende Kündigungsfrist von zwei Wochen gewahrt ist."
Rz. 73
Der BGH ist zu Recht der Auffassung, dass ein nach Kündigung durch den Mandanten zum Nachweis der bisher erbrachten Tätigkeit vorgelegter fehlerhafter Vertrag nicht zu einer Reduzierung oder einem Wegfall des Honorars führen kann:
Zitat
"a) Die Kündigung des Dienstverhältnisses ist nur dann durch ein vertragswidriges Verhalten veranlasst, wenn zwischen dem vertragswidrigen Verhalten und der Kündigung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Dies ist dann der Fall, wenn die Vertragsverletzung Motiv für die außerordentliche Kündigung war und sie diese adäquat kausal verursacht hat (Anschluss an BGH NJW 2018, 3513 [BGH v. 13.9.2018 – III ZR 294/16])."
b) Vorarbeiten eines Anwalts, welche noch zu keinem Arbeitsergebnis geführt haben, das an den Mandanten oder einen Dritten herausgegeben werden sollte, können eine Pflichtwidrigkeit nicht begründen, selbst wenn sie Fehler aufweisen.“
Rz. 74
Hier: Die Mandantin hatte es sich nach Auftragserteilung (Erstellung von zwei Verträgen, die keine Steuerschädlichkeit enthalten sollten) anders überlegt. Sie kündigte das Mandat und verlangte, als die Abrechnung des Anwalts sie erreichte, die Vorlage der bisher erstellten Vertragsentwürfe. In diesen Entwürfen war eine Steuerschädlichkeit enthalten. Daraufhin verweigerte die Mandantin die Zahlung mit der Begründung, aufgrund des Anwaltsfehlers sei von ihr keine Vergütung zu leisten. Mit diesen Argumenten kam sie beim BGH nicht durch. Die in den Verträgen enthaltene Steuerschädlichkeit war nach Ansicht des BGH nicht relevant, denn die Kündigung erfolgte aufgrund eines Sinneswandels. Dass der Anwalt lediglich die bisherigen Entwürfe, die (noch) Fehler enthielten zum Nachweis seiner bisher erbrachten Tätigkeit vorgelegt hatte, ließ den Vergütungsanspruch nicht entfallen.