Dr. med. Daniela Bellmann, Dr.-Ing. Steffen Brückner
Rz. 26
Die in Deutschland verwendete Video-Norm geht auf die Fernsehnorm zurück, wie sie Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelt wurde. Danach besteht ein Videobild aus 625 Zeilen, die eigentliche Bildinformation umfasst dabei 576 Zeilen. Das Seitenverhältnis des Bildes beträgt 4:3 (Breite zu Höhe). Digitalisiert man ein solches Bild und sollen dabei sowohl die einzelnen Bildpunkte quadratisch sein als auch das Seitenverhältnis von 4:3 erhalten bleiben, ergibt sich ein Bildformat von 768×576 Bildpunkten (Pixel).
Die Forderung, mit quadratischen Bildpunkten zu digitalisieren, ist in der Praxis sehr wichtig. Alle üblichen Geräte zur Bildausgabe, d.h. insb. Monitore und Drucker, setzen quadratische Bildpunkte voraus bzw. behandeln Bildpunkte so, als wären sie quadratisch. Sind die Bildpunkte dies nicht, wird das Bild verzerrt wiedergegeben.
Hinweis
Digital speichernde Überwachungsanlagen geben nun sehr häufig Bilddateien im Format 720×576 oder 704×576 aus. Dies ist unproblematisch, wenn hier nicht die ganze Videozeile digitalisiert wurde. Wichtig für die unverzerrte Wiedergabe auf Monitor oder Drucker ist nur, dass bei der Digitalisierung des Kamerasignals quadratische Punkte verwendet wurden. Ist dies aber nicht der Fall, wurde also z.B. die gesamte (nominal 768 Pixel lange) Bildzeile mit 704 Punkten digitalisiert, erscheint das Bild seitlich um einen Faktor 768/704 = 1.091 gestaucht, die Proportionen sind also um fast 10 % verzerrt.
Bild 2: Verzerrung von Proportionen
Tatsächlich werden derartige Fälle in der Praxis beobachtet. Wie Bild 2 verdeutlicht, sind Verzerrungen von Proportionen in diesem Bereich keineswegs unerheblich für die gutachterliche Auswertung eines Bildes.
Rz. 27
Ob ein Bild korrekt (im Sinne quadratischer Bildpunkte) digitalisiert wurde, kann der Betrachter aber letztlich nicht zweifelsfrei feststellen. Wie die Erfahrung zeigt, sind sich leider auch Hersteller von Überwachungssystemen nicht unbedingt über das Problem im Klaren. Zwei Fallbeispiele aus der Praxis (die betreffenden Anlagen stammen von verschiedenen Herstellern) sollen dies verdeutlichen:
Beispiel A
Vorgelegen hatte ein digitales Bild im Format 704×576 aus einer Verkehrsüberwachungsanlage.
Das abgebildete Fahrzeug wirkte so schmal, dass Verdacht auf Verzerrung bestand und der Hersteller der Anlage telefonisch kontaktiert wurde. Ein Techniker des Herstellers erklärte ausführlich, dass aufgrund der Normen für Videosignale das Format von 704×576 zwingend korrekt sei. Erfreulicherweise ließ sich der Techniker dazu überreden, ein exaktes Quadrat zu zeichnen, diese Zeichnung mit seiner Überwachungsanlage aufzunehmen, das Bild auszudrucken und am ausgedruckten Bild das Seitenverhältnis zu messen. Zu seiner Überraschung ergab sich im Ausdruck eine Verzerrung von knapp 9 %, was i.R.d. Messgenauigkeit mit dem vermuteten Wert von 9.1 % gut übereinstimmt.
Beispiel B
Vorgelegen hatten digitale Bilder im Format 704×576 aus einer Raumüberwachungsanlage.
Von einer Deckenkamera aufgenommene Bodenfliesen zeigten ein sehr fremdes, fast (aber eben nicht ganz) quadratisches Format. Nach versuchsweiser Umrechnung der Bilder auf das Format 768×576 erschienen die Bodenfliesen quadratisch. Es bestand daher Verdacht auf Verzerrung und der Hersteller der Anlage wurde telefonisch kontaktiert. Auch dieser Hersteller war letztlich bereit, den oben beschriebenen Test durchzuführen, allerdings mit einem Pappkarton statt eines gezeichneten Quadrates. Damit ermittelte man zwar eine Verzerrung der Proportionen von ca. 5.5 %, argumentierte aber, dass dies u.a. auf Schiefstand des Kartons zur Kamera zurückzuführen sei und letztlich keine Verzerrung durch die Anlage vorliege. Diese Argumentation war zu unsicher, die Anlage wurde daher vor Ort in Augenschein genommen. Dabei stellte sich sowohl heraus, dass die vorhandenen Bodenfliesen in der Tat quadratisch waren als auch, dass der Benutzer der Anlage die gespeicherten Bilder nach Wahl in verschiedensten Formaten ausgeben konnte (u.a. auch im korrekten Format 768×576).
Rz. 28
Die beiden Fallbeispiele zeigen, dass auch ein Gespräch mit dem Hersteller einer Anlage nicht notwendig ein einfacher Weg ist, um den Sachverhalt zu klären. Insb. ist ggf. technischer Sachverstand erforderlich, um die Stichhaltigkeit der herstellerseitigen Argumentationen beurteilen zu können.