Rz. 60
In der Praxis ist oftmals zu beobachten, dass Schuldner ohne eigenes Einkommen in guten wirtschaftlichen Verhältnissen leben, da sie von dem finanzkräftigen Ehepartner, Lebenspartner oder sonstigen Verwandten unterstützt werden. Der Taschengeldanspruch des Ehemannes bzw. der Ehefrau oder auch des Lebenspartners/der Lebenspartnerin gegen den anderen Ehepartner/Lebenspartner ist als Unterhaltsgewährung gem. §§ 1360, 1360a BGB zu qualifizieren. Die Auffassung, dass der Taschengeldanspruch eines Ehegatten/Lebenspartners nicht der Pfändung unterliegt, wird nur noch vereinzelt vertreten. Der aus § 1360 BGB bestehende familienrechtliche Unterhaltsanspruch des in Ehegemeinschaft lebenden Ehegatten ist unpfändbar. Eine bedingt pfändbare Unterhaltsrente i.S.d. § 850b Abs. 1 Nr. 2 ZPO entsteht erst, wenn Ehegatten getrennt leben, da sich dann der in Natur erfüllbare Anspruch auf Familienunterhalt nach den §§ 1360 ff. BGB in einem Anspruch auf Geld umwandelt. Nach heute h.M. unterliegt der Taschengeldanspruch der bedingten Pfändbarkeit nach § 850b ZPO. Dies bestätigt auch der BGH und lehnt die insbes. in der Literatur vertretene andere Auffassung ab. In einem weiteren Beschluss stellt der BGH klar, dass die Pfändung von Bezügen i.S.d. § 850b Abs. 1 ZPO durch Blankettbeschluss entsprechend § 850b Abs. 3 S. 2 ZPO bewirkt werden kann.
Rz. 61
Hierzu hat der BGH weiter entschieden, dass ein Taschengeld nicht nur dem erwerbslosen Ehegatten, sondern auch dem zuverdienenden Ehegatten zusteht. Ein Taschengeldanspruch besteht aber nur dann, wenn das Einkommen der Ehegatten nicht gering und die Pfändungsforderung privilegiert ist, z.B. in jedem Fall bei einem Anspruch aus unerlaubter Handlung. Bei der Überprüfung der Pfändung der angeblichen Forderung kann der Unterhaltsanspruch einschließlich gewährter Naturalleistungen z.B. entsprechend der Düsseldorfer Tabelle mit 3/7 des Nettoeinkommens des Ehegatten angesetzt werden. Übersteigt dieser Betrag zuzüglich eigener Ansprüche des Schuldners die Pfändungsgrenzen, ist der pauschal mit 5–7 % des Nettoeinkommens des Ehegatten berechnete Taschengeldanspruch in dieser Höhe pfändbar.
Rz. 62
Der Umfang der Pfändung muss dann so bestimmt bezeichnet werden (Quote der Inanspruchnahme des Taschengeldes, z.B. 7/10, die Berechnungsgrundlagen, Wahrung der Pfändungsfreigrenze unter Berücksichtigung des Naturalunterhaltsanspruchs), dass der Drittschuldner die Billigkeitsprüfung nachvollziehen und ohne Weiteres erkennen kann, welchen Betrag er an den Gläubiger abzuführen hat.
Rz. 63
Falls es dann zum Streit über die Höhe des Taschengeldanspruchs kommt, sind für einen Drittschuldnerprozess die Familiengerichte zuständig. Die Familiengerichte sind an die Entscheidung über die Pfändbarkeit des Anspruchs durch das Vollstreckungsgericht gebunden und entscheiden nur noch über die Höhe des Anspruchs.
Rz. 64
Die ziffernmäßige Feststellung des dem Schuldner verbleibenden Teils des Unterhaltsanspruchs bzw. des Teils, der der Pfändung unterliegt, obliegt dem Drittschuldner; das Vollstreckungsgericht darf die Pfändungshöhe im Pfändungsbeschluss nicht bestimmen.
Rz. 65
Hiernach ist der Taschengeldanspruch i.H.v. 7/10 pfändbar, wenn er zusammen mit der auf den unterhaltsberechtigten Ehegatten entfallenden fiktiven Unterhaltsquote die Pfändungsfreigrenze zur Lohnpfändungstabelle übersteigt.
Rz. 66
Beispiel
Bereinigtes Nettoeinkommen des Schuldners |
3.500,00 EUR |
[ 3/7 sind 1.500 EUR] Taschengeldanspruch 5 % |
175,00 EUR |
davon 7/10 pfändbar |
122,50 EUR |
unpfändbar somit 3/10 |
52,50 EUR |
Rz. 67
Alternative Berechnung:
Bereinigtes Nettoeinkommen des Schuldners |
|
3.500,00 EUR |
Taschengeldanspruch 7 % |
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245,00 EUR |
3/7 Unterhaltsanspruch vom Nettoeinkommen |
|
1.500.00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.745,00 EUR |
Pfändbarer Betrag nach der Tabelle |
|
286,89 EUR |
davon 7/10 als Taschengeld |
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200,82 EUR |
unpfändbar 3/10 |
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80,07 EUR |
Rz. 68
Hinweis
Im Verfahren zur Vermögensauskunft gibt der Schuldner oftmals zu Protokoll, dass er selbst ohne Arbeit sei und von seiner Ehefrau – bzw. eine Schuldnerin von ihrem Ehemann – unterhalten wird. Diese Angaben sind im Hinblick auf eine mögliche Taschengeldpfändung zu wenig. Zur Schlüssigkeit der Klage gegen den Drittschuldner wegen eines Taschengeldanspruchs muss der Gläubiger darlegen, dass das Einkommen des Drittschuldners (Ehepartners) den notwendigen Familienunterhalt übersteigt. Ein bloß "ins Blaue" vorgetragener angeblicher Anspruch reicht nicht aus.
Rz. 69
Auch die Billigkeitsprüfung nach § 850b Abs. 2 ZPO erfordert Mindestfeststellungen zur Höhe des pfändbaren Taschengeldes. Der Schuldner ist daher m.E. bereits bei Abgabe der Vermögensauskunft verpflichtet, Angaben zur Höhe des Nettoeinkommens des ihn unterhaltenden Ehepartners anzugeben. Der Gläubiger sollte ggf. ein Ergänzungsverfahren beantragen. Im Wege der Ergänzungsversicherung ist der Schuldner verpflichtet, alle Angaben zu offenbaren, die zur Realisierung der ...