Rz. 107
Ist der Schuldner Familienangehörigen gegenüber unterhaltsverpflichtet, erhöht sich der pfändungsfreie Betrag nach § 850c Abs. 2 ZPO. Als unterhaltsberechtigte Personen kommen in Betracht:
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der Ehegatte, |
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der frühere Ehegatte, |
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der getrenntlebende Ehegatte (§ 1361 BGB), |
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der Lebenspartner, |
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der frühere Lebenspartner, |
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Verwandte in gerader Linie, |
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ein Elternteil (§§ 1615l, n BGB). |
Rz. 108
Weitere Voraussetzung für die Erhöhung des unpfändbaren Betrags ist neben der gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung die tatsächliche Gewährung von Unterhalt. Hierbei ist es unerheblich, in welcher Form der Unterhalt gewährt wird, ob in Form von Natural-, Geld- oder Dienstleistungen. Ebenfalls unerheblich ist, ob der Unterhalt freiwillig oder zwangsweise aufgrund einer Pfändung gezahlt wird. Im Verhältnis zwischen Ehegatten kommt es nicht darauf an, ob der Schuldner tatsächlich einen Geldbetrag für den Unterhalt des Ehegatten abzweigt. Dieser ist schon dann zu berücksichtigen, wenn der Schuldner aufgrund beiderseitiger Verständigung angemessen zum Familienunterhalt beiträgt. Bei Ehegatten, die in häuslicher Gemeinschaft leben, ist grundsätzlich von gegenseitigen Unterhaltsleistungen, durch die die Kosten des Familienunterhalts gemeinsam bestritten werden, auszugehen. Im Hinblick darauf, dass der Schuldner mit seiner Ehefrau in häuslicher Gemeinschaft lebt, ist davon auszugehen, dass die Ehegatten nach §§ 1360, 1360a BGB einander Naturalunterhalt geleistet haben und die Ehefrau als unterhaltsberechtigte Person zu berücksichtigen ist. Zahlt der Schuldner an seine unterhaltsberechtigten Kinder tatsächlich keinen Unterhalt, sind die an sich unterhaltsberechtigten Kinder bei der Berechnung des unpfändbaren Betrages des Arbeitseinkommens nicht zu berücksichtigen. Ist nachgewiesen, dass der Schuldner an seine (bei dem anderen Elternteil lebenden) Kinder keinen Unterhalt zahlt, kann der Gläubiger einen klarstellenden Beschluss des Vollstreckungsgerichts verlangen, dass die Kinder bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens nach § 850c Abs. 1 ZPO nicht berücksichtigt werden.
Rz. 109
Gleiches gilt, wenn nachgewiesen wird, dass der Schuldner keine Miete zahlt. Da aber der unpfändbare Betrag nach § 850c Abs. 1 ZPO einen entsprechenden Mietanteil beinhaltet, ist dieser entsprechend der Mietkostenersparnis hinsichtlich der Kaltmiete und der Heizkosten unter Berücksichtigung der lokalen Wohngeldtabelle des Jobcenters zu reduzieren. Einen alternativen Weg der Berücksichtigung der Mietkostenersparnis gehen verschiedene andere Gericht: Nach der Gesetzesbegründung ist in die Kalkulation des nach § 850c ZPO festgelegten unpfändbaren Betrags eine zu berücksichtigende Kaltmiete einzubeziehen. Zahlt der Schuldner diese nach eigenen Angaben tatsächlich nicht, so ist er so zu behandeln, als stünde ihm dieser Betrag zusätzlich zu seinem Einkommen zur Verfügung. Der Betrag ist daher dem ermittelten Nettoeinkommen des Schuldners wie ein fiktives Einkommen durch den Drittschuldner hinzuzurechnen, danach ist dann das pfändbare Einkommen des Schuldners zu ermitteln und der pfändbare Betrag an den Gläubiger auszukehren.
Rz. 110
Pfändet der Gläubiger Arbeitseinkommen von Eheleuten als Gesamtschuldnern, ist die gemeinsame Unterhaltspflicht eines ehelichen Kindes auch bei beiden Schuldnern voll zu berücksichtigen.
Rz. 111
Auch auf die Höhe und den Umfang der Unterhaltsleistung kommt es nicht an. Selbst wenn im Einzelfall der vom Schuldner geleistete Unterhaltsbetrag den Freibetrag nach § 850c ZPO für diese Person nicht erreicht, hat der Schuldner Anspruch auf diesen pfändungsfreien weiteren Betrag. Eine Reduzierung der in § 850c Abs. 2 ZPO genannten Pauschalbeträge auf den tatsächlich geleisteten Unterhaltsbetrag kommt nur dann in Betracht, wenn sich die Inanspruchnahme dieser Freibeträge durch den Schuldner als unbillig erweist und deshalb die Verwirklichung des mit der Einführung von Pauschalbeträgen verfolgten Zwecks ausnahmsweise hinter dem Vollstreckungsinteresse des Gläubigers zurücktreten muss. Nach dem Sachverhalt der Entscheidung des BGH hat der Schuldner eine unterhaltsberechtigte Tochter, die bei einer Pflegefamilie lebt. Für ihre Pflege zahlt er einen monatlichen Zuschuss von lediglich 26,00 EUR. Dennoch hat der Gläubiger keinen Anspruch darauf, dass der dem Schuldner pfandfrei zu belassende Pauschalbetrag auf 26,00 EUR reduziert wird, weil der Schuldner nur in dieser Höhe Unterhalt in Form eines Pflegezuschusses an seine Tochter zahlt.
Rz. 112
Eine unterhaltsberechtigte Person ist somit nur dann zu berücksichtigen, wenn trotz Zahlung eines tatsächlichen Unterhaltsbetrags eine konkrete gesetzliche Verpflichtung hierzu besteht. Der Pfändungsfreibetrag ist nicht deshalb zu erhöhen, weil der Schuldner mit einer nicht unterhaltsberechtigten Person in einer sozialrechtlichen Bedarfsgemeinschaft zusammenlebt und diese wegen Zurechnung seines Einkommens nicht hilfebedürftig ist. Gewährt der Sch...