Rz. 289
Der Rechtsanwalt muss den Mandanten auf Vor- und Nachteile des beabsichtigten Vergleichs hinweisen. Eine Aufklärung ist insb. dann erforderlich, wenn der Rechtsanwalt sich nicht sicher sein kann, dass der Auftraggeber Inhalt und Tragweite des Vergleichs vollständig erfasst, sondern vielmehr konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass der Mandant erwartet, durch einen Vergleich eine bestimmte Rechtsposition gewahrt zu wissen. Dann muss der Rechtsanwalt den Mandanten aufklären, wenn er beabsichtigt, den Vergleich mit einem abweichenden Inhalt abzuschließen. Der Rechtsanwalt muss im Einzelnen darlegen, welche Gesichtspunkte für und gegen den Abschluss des Vergleichs sprechen. Er muss alle Bedenken, Unsicherheitsfaktoren und die seinem Mandanten durch den vorhergesehenen Vergleich entstehenden Folgen erörtern. Die Beratung muss hinreichend deutlich erfolgen, damit der Mandant sich entscheiden und ggf. die erforderliche Form einhalten kann. Ergibt sich aus der Beratung für den Mandanten ein Zielkonflikt, obwohl ein solcher in Wirklichkeit nicht besteht, verletzt der Anwalt seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Beratung. Dabei hat der Rechtsanwalt auch auf die durch einen Vergleichsschluss anfallenden Steuern bzw. auf Rückzahlungsansprüche der Arbeitsverwaltung hinzuweisen. Ggf. ist über die unterschiedliche Insolvenzfestigkeit der Ansprüche zu belehren. Das gilt insb. dann, wenn dem Gegner wegen der von diesem erklärten Zahlungsunfähigkeit Ratenzahlung eingeräumt wird, weil dann im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen eine Anfechtbarkeit nach § 133 Abs. 1 InsO naheliegt, die auch noch Rechtshandlungen erfasst, die zehn Jahre vor Beantragung des Insolvenzverfahrens erfolgten. Für Insolvenzverfahren, die ab dem 5.4.2017 beantragt wurden/werden, beträgt diese Frist nach der Reform des Insolvenzanfechtungsrechts bei Deckungshandlungen gem. § 133 Abs. 2 InsO nur noch vier Jahre.
Rz. 290
In einer Entscheidung vom 30.11.1999 hatte der BGH über die Vergleichsempfehlung eines Patentanwalts zu entscheiden. Der Mandant war Inhaber eines Patents, das ein Wettbewerber mit der Aufhebungsklage angegriffen hatte. Der Mandant klagte seinerseits gegen den Wettbewerber auf Schadensersatz, Rechnungslegung und Unterlassung. Der Patentanwalt teilte dem Mandanten mit, die Nichtigkeitsklage werde erfolgreich sein und riet deshalb zu dem Abschluss des Vergleichs, in dem der Mandant auf bestimmte Rechte an der Erfindung und auf Schadensersatz im Gegenzug gegen die Rücknahme der Nichtigkeitsklage verpflichtete. Der BGH bejahte eine Verletzung der Beratungspflicht, da der Patentanwalt den Erfolg der Nichtigkeitsklage unzutreffend eingeschätzt hatte. Er hätte stattdessen seine Zweifel und Bedenken, sowie den Risikoumfang darlegen müssen. Allgemeine Hinweise, wonach der Ausgang des Rechtsstreits offen sei oder Erklärungen, der Mandant habe nur geringe Prozesschancen bzw. er trage ein hohes Prozessrisiko, seien nicht ausreichend, um den Aufklärungspflichten des Patentanwalts zu genügen. Für Rechtsanwälte kann nichts anderes gelten.