Rz. 504
Nach dieser am 9.9.1994 in Kraft getretenen Vorschrift ist ein Rechtsanwalt, der eine Gebührenforderung erwirbt, in gleicher Weise zur Verschwiegenheit verpflichtet wie der beauftragte Rechtsanwalt (§ 49b Abs. 4 Satz 1 BRAO); die Abtretung von Gebührenforderungen oder die Übertragung ihrer Einziehung an einen nicht als Rechtsanwalt zugelassenen Dritten ist unzulässig, es sei denn, die Forderung ist rechtskräftig festgestellt, ein erster Vollstreckungsversuch ist fruchtlos ausgefallen und der Rechtsanwalt hat die ausdrückliche, schriftliche Einwilligung des Mandanten eingeholt (§ 49b Abs. 4 Satz 2 BRAO). Entsprechende Regelungen enthalten § 64 Abs. 2 StBerG und § 55a Abs. 3 WPO.
Rz. 505
Der Zweck der neuen Regelung erschließt sich hinreichend aus deren Entstehungsgeschichte. § 49b Abs. 4 Satz 1 BRAO ist auf Vorschlag des Rechtsausschusses des Bundestages eingeführt worden. § 49b Abs. 4 Satz 2 BRAO ist u.a. dahin geändert worden, dass der Rechtsanwalt bei der Abtretung an nicht als Rechtsanwalt zugelassene Dritte auch die ausdrückliche, schriftliche Einwilligung des Mandanten einholen muss. In der Begründung wird auf die Urteile des BGH vom 25.3.1993 und vom 13.5.1993 verwiesen, aus denen sich ergebe, dass eine Abtretung anwaltlicher Gebührenforderungen im Hinblick auf § 134 BGB nur wirksam sei, wenn entweder der Rechtsanwalt die Zustimmung des Mandanten zur Weitergabe von Informationen aus dem Mandatsverhältnis einhole oder Zessionar und Zedent denselben Schweigepflichten unterworfen seien; dem solle mit der Neuregelung klarstellend Rechnung getragen werden.
Danach ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass die Abtretung einer anwaltlichen Gebührenforderung nicht nach § 134 BGB i.V.m. § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB unwirksam ist, wenn der Rechtsanwalt als neuer Gläubiger und Empfänger der geschützten Informationen ebenfalls der Pflicht zur Verschwiegenheit unterliegt.
Rz. 506
In welcher Weise unter diesen Umständen § 49b Abs. 4 BRAO auszulegen ist, war in Rechtsprechung und Literatur zunächst umstritten. Nach einer Auffassung sollte durch die Regelung in § 49b Abs. 4 BRAO nur die Verschwiegenheitspflicht des Zessionars geregelt sein. Nach anderer Auffassung wird durch die Vorschrift angeordnet, dass die Abtretung ohne Zustimmung des Mandanten erfolgen kann. Der BGH, der die Frage zunächst offengelassen hatte, hat mit Grundsatzentscheidung vom 1.3.2007 die zuletzt genannte Auffassung für zutreffend erklärt.
Die Rechtsprechung zur Nichtigkeit der Abtretung von Honoraransprüchen an Rechtsanwälte ohne Zustimmung des Mandanten hat das Ziel, das Recht des Mandanten auf informationelle Selbstbestimmung zu gewährleisten. Dieses aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete Recht, das seine Wirkung auch im Bereich des Privatrechts entfaltet, steht unter dem Schrankenvorbehalt der verfassungsmäßigen Ordnung. Darunter sind alle Rechtsnormen zu verstehen, die formell und materiell mit der Verfassung in Einklang stehen. Die das informationelle Selbstbestimmungsrecht schützende Norm des § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB kann jedoch eingeschränkt werden, sofern die entsprechende Vorschrift als gesetzliche Offenbarungsbefugnis i.S.e. Rechtfertigungsgrundes anzusehen ist. Dies erfordert, dass die Offenbarungsbefugnis in ihren Voraussetzungen und ihrem Umfang dem Gesetz eindeutig und für den Bürger erkennbar zu entnehmen ist und damit dem Gebot der Normenklarheit entspricht. Diesen Anforderungen genügt die in Rede stehende Regelung des § 49b Abs. 4 BRAO. Aus Inhalt und Entstehungsgeschichte der Vorschrift lässt sich hinreichend deutlich entnehmen, dass der Gesetzgeber die Abtretbarkeit von Honorarforderungen an andere Rechtsanwälte ohne Zustimmung des Mandanten zugelassen hat.
Rz. 507
Schon nach der ursprünglichen Rechtslage war es nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung unter besonderen Voraussetzungen, wie dargestellt (vgl. Rdn 502), zulässig, einen anderen Rechtsanwalt mit der Beitreibung der Gebührenforderung zu beauftragen. Diese Rechtsprechung beruhte gerade darauf, dass in den für zulässig erachteten Fallgruppen auch die Zessionare einer gesetzlichen Schweigepflicht unterlagen. Im Hinblick darauf dient die neue Vorschrift erkennbar dem Zweck, die in diesem Bereich drohende Kasuistik durch eine einheitliche Regelung zu ersetzen, welche die Abtretung von Honorarforderungen an Rechtsanwälte generell gestattet. § 49b Abs. 4 Satz 1 BRAO berücksichtigt die Belange der Mandanten dadurch, dass der Anwalt als Zessionar in gleichem Umfang wie der Zedent zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. Damit wird zugleich der Verkauf von Anwaltskanzleien wesentlich erleichtert, was einem anzuerkennenden Bedürfnis des Berufsstands entspricht.
Der Gesetzgeber hat folglich in § 49 Abs. 4 BRAO einen Erlaubnistatbestand geschaffen, der eine Strafbarkeit des Zedenten nach § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB sowie eine Unwirksamkeit der Verfügung nach § 134 BG...