Rz. 163
Die Verjährungshemmung ist nunmehr in den §§ 203 ff. BGB geregelt. Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz hat dabei eine Reihe von Änderungen gebracht. Die Rechtsverfolgung durch Klage und gleichgestellte Maßnahmen (§§ 209, 210, 219, 220 BGB a.F.) führen nach § 204 BGB nicht mehr zum Neubeginn, sondern nur noch zur Hemmung der Verjährung. Die Hemmung aus tatsächlichen, rechtlichen und familiären Gründen (§§ 202, 203 und 204 BGB a.F.) und die Ablaufhemmung (§§ 206, 207 BGB a.F.) behielt das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, teils in engerer, teils in erweiterter Fassung, bei. Zudem ist der Begriff "Unterbrechung" durch "Neubeginn" der Verjährung (§ 212 BGB) ersetzt. Ähnlich wie die frühere deliktsrechtliche Vorschrift des § 852 Abs. 2 BGB a.F. hat der Gesetzgeber in § 203 BGB einen allgemeinen Hemmungstatbestand der Verhandlungen zwischen dem Gläubiger und Schuldner eingeführt. Der Begriff der Verhandlung ist dabei weit auszulegen. Der Gläubiger muss klarstellen, dass er einen Anspruch geltend machen und worauf er ihn im Kern stützen will. Anschließend genügt grds. jeder ernsthafte Meinungsaustausch über den Anspruch oder die anspruchsbegründenden Umstände zwischen Gläubiger und Schuldner oder bevollmächtigten Personen, sofern der Schuldner Verhandlungen nicht erkennbar sofort ablehnt oder die Ansprüche bestreitet, sodass der Gläubiger zu der Annahme berechtigt ist, der Schuldner lasse sich jedenfalls auf Erörterungen über die Berechtigung seiner Ansprüche ein. § 203 Satz 2 BGB sieht zudem nunvor, dass dem Gläubiger eine dreimonatige Ablaufhemmung nach Ende der Verhandlungen zur Vorbereitung einer gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche eingeräumt wird.
Führt der Rechtsanwalt zur Verhinderung der Verjährung Verhandlungen, ist er verpflichtet, innerhalb dieses Hemmungstatbestandes nach § 203 BGB keine Unklarheiten aufkommen zu lassen. Er ist aber nicht verpflichtet, daneben noch andere Vorkehrungen zu treffen, um den Eintritt der Verjährung zu verhindern. Es blieben zuverlässig nur Schritte der Rechtsverfolgung nach § 204 BGB übrig, die neben Verhandlungen nicht zumutbar sind.
Rz. 164
Grds. wird ein Rechtsanwalt den Schuldner seines Mandanten zunächst auffordern, einen Anspruch innerhalb einer bestimmten Frist zu erfüllen und für den Fall der Nichterfüllung die gerichtliche Durchsetzung des Anspruchs androhen. Wenn der Schuldner zur Erfüllung oder zu einem Anerkenntnis i.S.d. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht bereit ist, ist der vom Gläubiger beauftragte Rechtsanwalt verpflichtet zu verhindern, dass der Anspruch des Auftraggebers verjährt, d.h. der Schuldner berechtigt ist, die Leistung zu verweigern (§ 214 Abs. 1 BGB). Dann muss der Rechtsanwalt rechtzeitig Maßnahmen zur Hemmung (§§ 203 ff. BGB) der Verjährung einleiten. Diese Verpflichtung, die Verjährung zu verhindern, ist erst verletzt, wenn die Verjährung entweder bereits eingetreten ist oder so nahe bevorsteht, dass sie aus zeitlichen Gründen nicht mehr gehemmt werden kann. Zu den Pflichten des Rechtsanwalts gehört es jedoch, eine die Verjährung hemmende Maßnahme so rechtzeitig vorzunehmen, dass der Mandant auch bei einer ihm ungünstigen Beurteilung der Verjährungsfrage durch das Prozessgericht der vermeidbaren Gefahr der Klageabweisung wegen Verjährung entgeht.
Über die Vor- und Nachteile der einzelnen Möglichkeiten, die Verjährung zu hemmen, muss der Rechtsanwalt seinen Auftraggeber rechtzeitig aufklären und mit ihm im konkreten Fall absprechen, wie verfahren werden soll.
(a) Abrede mit dem Schuldner
Rz. 165
Bevor der Rechtsanwalt Maßnahmen einleitet, um die Verjährung durch Klageerhebung oder eine gleichgestellte Maßnahme zu hemmen, kann er versuchen, mit der Gegenseite eine Vereinbarung zu treffen, wonach diese vor dem Ablauf der Verjährungsfrist darauf verzichtet, sich für einen bestimmten Zeitraum auf die Einrede der Verjährung zu berufen (sog. pactum de non petendo; vgl. § 7 Rdn 112 ff.). Gem. § 202 Abs. 1 BGB kann die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäfte erleichtert werden. § 202 Abs. 2 BGB bestimmt, dass die Verjährung durch Rechtsgeschäft nicht über eine Verjährungsfrist von 30 Jahren ab dem gesetzlichen Verjähr...