Rz. 198
Ein Rechtsanwalt kann auch gem. §§ 157, 242 BGB ausnahmsweise verpflichtet sein, den Mandanten unaufgefordert über das Kostenrisiko aufzuklären, wenn dies aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung von Treu und Glauben geboten erscheint. Insoweit sind im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu berücksichtigen: Einerseits der Schwierigkeitsgrad und Umfang der anwaltlichen Aufgabe, ein ungewöhnlich hoher Gegenstandswert und sich daraus ergebende hohe Gebühren, die das vom Auftraggeber erstrebte Ziel wirtschaftlich sinnlos machen können, andererseits die Bedeutung der Angelegenheit für den Mandanten sowie dessen Vermögensverhältnisse und Erfahrung im Umgang mit Rechtsanwälten. Wenn die von dem Rechtsuchenden erstrebte Rechtsverfolgung aus Sicht des Rechtsanwalts erkennbar wirtschaftlich unvernünftig ist, weil das Ergebnis in keinem angemessenen Verhältnis zu den Kosten steht, ist der Rechtsanwalt verpflichtet, dem Mandanten nach Hinweis auf die voraussichtlichen Kosten Gelegenheit zu geben, über seine Beauftragung zu entscheiden.
Unter diesem Gesichtspunkt ist der Rechtsanwalt regelmäßig zu einem Hinweis verpflichtet, dass die ihm aufgetragenen Urkundsentwürfe der notariellen Beurkundung bedürfen und dass dadurch zusätzliche Kosten entstehen. Denn er kann nicht ohne weiteres voraussetzen, dass der Auftraggeber das weiß. Dieser muss in die Lage versetzt werden, selbst sachgerecht entscheiden zu können, ob er die gezielte Betreuung durch anwaltliche Tätigkeit zusätzlich zu einem neutralen notariellen Vertragsentwurf wünscht. Beweisbelastet für den unterlassenen Hinweis ist der Mandant. Die mit dem Nachweis einer negativen Tatsache verbundenen Schwierigkeiten werden dadurch ausgeglichen, dass die andere Partei die behauptete Fehlberatung substantiiert bestreiten und darlegen muss, wie im Einzelnen beraten und aufgeklärt worden sein soll. Dem Anspruchsteller obliegt dann der Nachweis, dass diese Darstellung nicht zutrifft. Der BGH hat eine solche Hinweispflicht des Rechtsanwalts auch angenommen, wenn dieser an dem Abschluss eines zum Zeitpunkt seines Tätigwerdens im Wesentlichen bereits entworfenen Unternehmenskaufvertrags mit einem Volumen von damals 45 Mio. DM nur in der Weise mitgewirkt hat, dass er lediglich Schriftstücke entgegengenommen und Termine abgestimmt hat. Etwas anderes wäre dann anzunehmen, wenn der Rechtsanwalt den komplexen und rechtlich schwierigen Vertrag von Anfang an in mehreren zeitaufwendigen Verhandlungen mit den Parteien vorbereitet und ausgehandelt hat.
Rz. 199
Suchen Eheleute gemeinsam einen Rechtsanwalt auf, um sich in ihrer Scheidungsangelegenheit beraten zu lassen, hat der Anwalt vor Beginn der Beratung auf die gebühren- und vertretungsrechtlichen Folgen einer solchen Beratung hinzuweisen, weil ein Anwalt im Grundsatz nur einen von beiden beraten kann, dass er bei einer gemeinsamen Beratung nicht mehr die Interessen einer Partei einseitig vertreten darf, sondern er die Eheleute nur unter Ausgleich der gegenseitigen Interessen beraten kann, und dass er jedenfalls dann, wenn die gemeinsame Beratung nicht zu einer Scheidungsfolgenvereinbarung führt und widerstreitende Interessen der Eheleute unüberwindbar aufscheinen, das Mandat ggü. beiden Eheleuten niederlegen muss mit der Folge, dass beide Eheleute neue Anwälte beauftragen müssen, sodass ihnen Kosten nicht nur für einen, sondern für drei Anwälte entstehen. Weiter muss er darüber belehren, dass er möglicherweise auch dann, wenn die Eheleute eine Scheidungsfolgenvereinbarung treffen, einen der Eheleute im Scheidungsverfahren zur Stellung des Scheidungsantrags nicht vertreten kann, die Eheleute danach also auch im Fall der einvernehmlichen Scheidung die Kosten für zwei Anwälte tragen müssen.
Rz. 200
Auch wenn der Rechtsanwalt den Eindruck erweckt hat, weitere Gebühren fielen nicht an, kann er von sich aus verpflichtet sein, den Auftraggeber über die tatsächlich anfallenden Kosten aufzuklären. Dasselbe gilt, wenn – und sei es ungewollt – der Eindruck erweckt worden ist, dass es bei dem zu Beginn des Verfahrens unter formalen Gesichtspunkten festgelegten (niedrigen) Betrag unabhängig vom wahren wirtschaftlichen Wert der Sache und trotz Klageerweiterung bleibe. Eine solche Belehrungspflicht kann entfallen, wenn der Auftraggeber im Umgang mit Rechtsanwälten erfahren ist.
Rz. 201
Ist für den Rechtsanwalt erkennbar, dass der von ihm akquirierte Mandant seinen Prozess unter Inanspruchnahme von PKH führen will, hat er auf den Gleichlauf von Anwaltsmandat und Anwaltsbeiordnung hinzuwirken. § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO darf nicht dadurch umgangen werden, dass das Mandat der Sozietät erteilt wird, obwohl weit und lange verbreiteter Übung entsprechend nur ein einzelner Anwalt beigeordnet wurde.