Rz. 19
Bei einem beschränkten Mandat braucht der Rechtsanwalt also grds. Interessen seines Auftraggebers außerhalb des Mandatsgegenstandes nicht wahrzunehmen. Der Wille der Vertragspartner hat die anwaltliche Leistungspflicht auf einen bestimmten Teil der Rechtsangelegenheit des Auftraggebers beschränkt. Nur dafür schuldet dieser dem Anwalt eine Vergütung. Müsste ein Rechtsanwalt zur Wahrung von Belangen seines Auftraggebers über sein Mandat hinausgehen, so hätte der Anwalt – ohne zusätzliches Honorar – ein erweitertes Haftungsrisiko zu tragen, das er häufig nicht übersehen und deswegen nicht versichern könnte. Dies gilt insb. dann, wenn solche Interessen des Mandanten keine unmittelbare Beziehung zum – beschränkten – Mandatsgegenstand haben. Häufig müsste der Anwalt, ohne dass dies für die ordnungsmäßige Erfüllung seines beschränkten Auftrags notwendig wäre, das Umfeld seines beschränkten Auftragsgegenstandes nach schutzwerten Interessen seines Auftraggebers absuchen. Würde der Anwalt sodann seinem Mandanten etwa die Verfolgung eines – außerhalb des beschränkten Gegenstandes des Anwaltsvertrages liegenden – Anspruchs empfehlen und wäre eine entsprechende Klage erfolglos, so müsste der Anwalt eine Inanspruchnahme wegen eines fehlerhaften Rats befürchten.
Rz. 20
Allerdings besteht für einen Rechtsanwalt und Steuerberater eine Nebenpflicht zur Warnung seines Auftraggebers vor Gefahren außerhalb des beschränkten Mandatsgegenstandes, soweit diese dem Anwalt oder Steuerberater bekannt oder für ihn offenkundig sind oder sich ihm bei ordnungsgemäßer Bearbeitung aufdrängen, und wenn er Grund zu der Annahme hat, dass sein Auftraggeber sich der Gefahr nicht bewusst ist. Solche Warn- und Hinweispflichten knüpfen an das Informations- und Wissensgefälle zwischen dem Anwalt und seinem Mandanten an. Sie folgen aus § 242 BGB und sollen verhindern, dass das Ziel des Beratungsvertrages trotz der für sich genommen vertragsgemäßen Beraterleistung verfehlt wird. "Offenkundig" bedeutet für einen durchschnittlichen Berater "auf den ersten Blick ersichtlich", die Gefahren müssen sich bei ordnungsgemäßer Bearbeitung des Mandats aufdrängen. Eine solche Verpflichtung kommt v.a. in Betracht, wenn Ansprüche gegen Dritte zu verjähren drohen, etwa gegen einen anderen mit der Sache befassten Rechtsanwalt, oder wenn die Gefahr Interessen des Auftraggebers betrifft, die mit dem beschränkten Auftragsgegenstand in engem Zusammenhang stehen. Diese Hinweispflicht besteht also nur in sehr engen Grenzen. Das ist z.B. der Fall, wenn der Rechtsanwalt einen Restitutionsanspruch nach dem Vermögensgesetz wegen Rentenforderungen durchsetzen soll und dabei erfährt, dass der Mandant einen solchen Anspruch auch wegen Grund- und Aktienvermögens haben kann und die dafür bestehende Ausschlussfrist abzulaufen droht. Das tarifvertragliche Erfordernis eines schriftlichen Weiterbeschäftigungsantrags innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung eines Rentenbescheids über eine teilweise Erwerbsunfähigkeit gehört dagegen nicht zum juristischen Allgemeinwissen jedes Anwalts. Bei Unklarheiten des ihm erteilten Auftrags hat der Prozessanwalt den Verkehrsanwalt um Klarstellung zu ersuchen, in welchem Umfang Klage zu erheben ist. Ganz ausnahmsweise hat er sich unmittelbar an den Mandanten zu wenden, wenn er annehmen muss, dass der Verkehrsanwalt seine Pflichten nicht erfüllt. Wird der steuerliche Berater befragt, ob es günstig ist, eine Wohnung zu einem bestimmten Preis innerhalb der Spekulationsfrist zu verkaufen, muss er den Mandanten darauf hinweisen, dass bei Verkauf innerhalb der Spekulationsfrist von dem Einstandspreis die Abschreibungen abzusetzen sind, was den steuerlichen Gewinn maximiert.
Ist der Mandant hinsichtlich der Frage anderweitig fachkundig beraten, besteht allerdings keine Hinweispflicht. Erkennt er aber eine Fehlleistung des anderen Beraters oder muss er diese erkennen, hat er wiederum hierauf hinzuweisen, wenn er annehmen muss, dass der Mandant die Gefahr nicht bemerkt. Eine solche Pflicht kann sich auch aus einem vorher an sich beendeten Mandat ergeben, aus dem nachlaufende Pflichten anzunehmen sind (vgl. Rdn 24). Von einer zutreffenden Beratung durch den anderen Berater kann der Rechtsanwalt oder Steuerberater nicht ausgehen, wenn er erhebliche Anhaltspunkte dafür hat, dass der andere Berater den Mandanten der Gefahr aussetzt, die Vorteile eines von ihm vorgeschlagenen Steuersparmodells, etwa des Schachtelprivilegs, durch unzureichende oder fehlerhafte Umsetzung des Konzeptes zu verlieren, oder wenn er selbst diese Gefahr vertieft hat.
Ein Steuerberater, der nur die allgemeinen Steuerangelegenheiten seines Mandanten erledigt, hat diesen zu warnen, wenn er erkennt, dass der für ein besonderes Vorhaben seines Auftraggebers beauftragte "Steuerspezialist" durch einen Fehler eine Gefahrenlage für den Mandanten begründet, und annehmen muss, dass dieser die Gefahr nicht kennt. Ein Steuer...