Rz. 407
Für diese Spezialmaterie ist am BGH der X. Zivilsenat zuständig, der hierzu eine von den allgemeinen Grundsätzen der Anwaltshaftung fundamental abweichende wettbewerbsrechtliche Sonderrechtsprechung entwickelt hat, die auf andere Gebiete der Anwaltshaftung keinesfalls übertragbar ist. Sie lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Der bei einer Schutzrechtsverwarnung von dem Schutzrechtsinhaber beauftragte Rechtsanwalt sei vertraglich zwar nur seinem Mandanten ggü. verpflichtet, diesen zutreffend und umfassend über die Schutzrechtslage zu beraten. Der Rechtsanwalt, der den Schutzrechtsinhaber im Hinblick auf eine Schutzrechtsverwarnung rechtlich berät, habe aber aufgrund seines Mandats erhebliche Möglichkeiten der Abwehr und Steuerung im Hinblick auf die Vermeidung eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eines Dritten durch eine unberechtigte Verwarnung. Von ihm könne und müsse daher erwartet werden, das Mandat so auszuüben, dass sich der Schutzrechtsinhaber nicht unter dem Eindruck einer die Rechtslage falsch einschätzenden Beratung dazu entschließe, einen Dritten unberechtigt wegen der Verletzung seines Schutzrechts abzumahnen und dadurch in dessen Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb einzugreifen. Den Rechtsanwalt treffe insoweit eine Garantenpflicht ggü. dem von einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung betroffenen Dritten, den Schutzrechtsinhaber rechtlich zutreffend und umfassend über die Berechtigung der Schutzrechtsverwarnung zu beraten. Erkläre der Rechtsanwalt eine Schutzrechtsverwarnung für rechtlich unbedenklich und entscheide sich der Schutzrechtsinhaber infolgedessen, einen vermeintlichen Verletzer zu verwarnen, beruhe der Eingriff in die Rechte Dritter auf einer zumindest fahrlässigen Verkennung der Rechtslage durch den Rechtsanwalt, wenn die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Beratung Anlass gegeben habe, eine Verletzung des Schutzrechts zu verneinen oder jedenfalls für zweifelhaft zu halten. Habe der Rechtsanwalt hingegen den Schutzrechtsinhaber bei unklarer Rechtslage auf alle wesentlichen Gesichtspunkte hingewiesen, die für oder gegen eine Verletzung des Schutzrechts sprechen, und entscheidet sich der Schutzrechtsinhaber trotz der aufgezeigten Bedenken dazu, die Verwarnung durchzuführen, komme eine Haftung des Rechtsanwalts wegen unberechtigter Verwarnung nach § 823 Abs. 1 BGB regelmäßig nicht in Betracht, weil die Verwarnung dann nicht auf einer die Rechtslage fahrlässig falsch einschätzenden Beratung im Verantwortungsbereich des Rechtsanwalts beruhe, sondern auf einer Entscheidung des Schutzrechtsinhabers, die dieser nach Beratung durch den Rechtsanwalt in Kenntnis der ihm zutreffend und vollständig dargestellten unklaren Rechtslage getroffen habe.
Und nun wird es wieder richtig: Letzteres gelte auch dann, wenn es nicht der Schutzrechtsinhaber selbst sei, der die Verwarnung ggü. dem Dritten ausspricht, sondern diese durch den Rechtsanwalt auf Weisung des Schutzrechtsinhabers in dessen Namen ausgesprochen werde. Denn soweit er sich im Auftrag und im Namen eines Mandanten äußere, wird er nicht in eigener Sache tätig, sondern in seiner Funktion als Rechtsanwalt und Vertreter seines Mandanten. Ein Rechtsanwalt mache sich einen Sachverhalt, den ihm sein Mandant geschildert habe, regelmäßig nicht als persönliche Behauptung zu eigen, wenn er diesen wiedergebe. Bei einer von einem Rechtsanwalt im Auftrag seines Mandanten ausgesprochenen Schutzrechtsverwarnung komme zu der bloßen Wiedergabe eines Sachverhalts eine rechtliche Bewertung einer Tatsachenbehauptung im Hinblick auf die Schutzrechtsverletzung und die Aufforderung zur Unterlassung hinzu. Dies ändere aber nichts daran, dass sich der Rechtsanwalt, der bei Ausspruch der Schutzrechtsverwarnung im Namen des Schutzrechtsinhabers auftritt, erkennbar nicht in eigener Sache, sondern im Interesse seines Mandanten äußere und deshalb ausschließlich in seiner Funktion als Rechtsanwalt und Vertreter seines Mandanten tätig werde, weshalb ihm die Verwarnung auch grds. so lange nicht als eigene zugerechnet werden könne, als er nicht in Kenntnis der fehlenden Berechtigung der Schutzrechtsverwarnung handele.
Diese Rechtsprechung steht im ersten Teil im diametralen Gegensatz zur Rechtsprechung des IX. Zivilsenats: Der Rechtsanwalt, der vom Schutzrechtsinhaber wegen einer angenommenen Schutzrechtsverletzung um Beratung und Vertretung ersucht wird, hätte danach nicht nur die widerstreitenden Interessen des Gegners des Mandanten wahrzunehmen, sondern wäre darüber hinaus sogar dessen Garant (zum Verbot der Wahrnehmung widerstreitender Interessen und deren Folgen siehe Rdn 370 ff.). Die Entscheidung ist deshalb zu Recht stark kritisiert worden.