Rz. 42
I.d.R. darf der Rechtsanwalt auf die Richtigkeit tatsächlicher Angaben seines Auftraggebers – oder eines Dritten, dem der Mandant die Unterrichtung seines Anwalts überlassen hat – ohne eigene Nachforschungen vertrauen, solange er deren Unrichtigkeit nicht kennt oder kennen muss. Dies gilt insb. für eine Information, die die berufliche Tätigkeit des Mandanten betrifft.
Rz. 43
Dieser Grundsatz gilt nicht für die Mitteilung von Rechtstatsachen – etwa für Angaben über die Zustellung eines Urteils oder zum Zeitpunkt des Zugangs eines Kündigungsschreibens –, für die Verwendung von Rechtsbegriffen – etwa "Abnahme eines Bauwerks", "Mietkauf", "Leihe", "Übereignung", "Rechtsnachfolge" – und für rechtliche Wertungen, etwa betreffend den Umfang einer vertraglichen Verpflichtung, einen Kleinbetrieb i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 2, 3 KSchG oder einen Betriebsübergang i.S.d. § 613a BGB. Solche Angaben des regelmäßig rechtsunkundigen Auftraggebers sind unzuverlässig. Insoweit muss der Anwalt die zugrunde liegenden, für die rechtliche Prüfung bedeutsamen Umstände und Vorgänge klären; dafür kann es ausreichen, dass er seinen Auftraggeber "gezielt befragt" und von diesem einschlägige Unterlagen erbittet, etwa zur Frage des Zustellungszeitpunktes einer Entscheidung den Zustellungsnachweis oder sonstige für den Zeitpunkt der Zustellung maßgebliche Unterlagen. Sind diese unergiebig, muss notfalls Akteneinsicht genommen oder eine Auskunft der Behörde oder des Gerichts eingeholt werden. Teilt der Mandant mit, dass ein bestimmtes gerichtliches Verfahren noch andauert, kann sich der Anwalt grds. hierauf verlassen. Bestehen jedoch Unklarheiten, insb. bei ungewöhnlichen Verfahrenssituationen, wird sich der Anwalt die entsprechenden Unterlagen vorlegen lassen müssen (Unterbrechungen, Ruhen etc.), v.a. wenn sich hieraus für den Laien nicht übersehbare Konsequenzen ergeben haben könnten, etwa die Beendigung einer Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 2 BGB.
Ggf. muss er im Rahmen seines Auftrags eigene Ermittlungen durchführen. Haftungsträchtig sind insb. Fälle, in denen die individuelle Zustellung einer Entscheidung für den Lauf einer Rechtsmittelfrist nicht (allein) maßgeblich ist, sondern auch eine Veröffentlichung im Internet. So reicht nach § 9 Abs. 3 InsO die öffentliche Bekanntmachung im Internet zum Nachweis der Zustellung auch dann, wenn im Gesetz auch noch eine besondere Zustellung an einen Beteiligten vorgeschrieben ist. Die Rechtsmittelfrist läuft dann ab der früher bewirkten Zustellung (zum Zeitpunkt der Bewirkung vgl. im Beispielsfall § 9 Abs. 1 Satz 3 InsO). Ist zugunsten des Mandanten im Gesetz überhaupt keine Zustellung vorgesehen, obwohl er beschwert und rechtsmittelberechtigt ist (vgl. für den Insolvenzgläubiger bei Vergütungsfestsetzungen § 64 Abs. 3 InsO), kann schon der Erlass der Entscheidung nur im Internet festgestellt werden. Der mit der Rechtsmitteleinlegung beauftragte Anwalt muss in solchen Fällen bei erst zu erwartender Entscheidung im Internet regelmäßig recherchieren, den Erlass einer Entscheidung rechtzeitig feststellen und den Ablauf der Frist überwachen. Alternativ kann er den Mandanten nach entsprechender Belehrung dazu beauftragen, sofern dieser dazu in der Lage ist. Abfragen auf dem Internetportal www.insolvenzbekanntmachungen.de bspw. sind schwierig und nur mit besonderer Sachkenntnis zuverlässig möglich.
Erklärt der Mandant, der vom Steuerberater über die Bedeutung der Befreiung von Arbeitnehmern von der gesetzlichen Krankenversicherung ausdrücklich belehrt worden ist, bzgl. eines bestimmten Arbeitnehmers, dass dieser durch einen ihm vorliegenden Bescheid von der Versicherungspflicht befreit worden ist, darf er sich hierauf verlassen und dies bei der Lohnbuchführung zugrunde legen.
Ist der Anwalt oder Steuerberater von seinem Mandanten mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt, empfiehlt es sich, den mitgeteilten und zugrunde gelegten Sachverhalt eingangs klarstellend festzuhalten.