Rz. 317
Zum Berufsbild des Rechtsanwalts gehört auch die steuerrechtliche Beratung des Mandanten. Dies folgt aus § 3 Abs. 1 BRAO. Danach ist der Rechtsanwalt der berufene Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten. Für den Fachanwalt für Steuerrecht wird dies in § 43c Abs. 1 Satz 2 BRAO besonders hervorgehoben. § 3 Nr. 1 StBerG erlaubt auch Rechtsanwälten die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen (zur Abgrenzung, wenn der beauftragte Rechtsanwalt zugleich als Steuerberater und/oder Wirtschaftsprüfer zugelassen ist, siehe § 1 Rdn 158–160). Die Normen des Steuerrechts sind daher grds. von einem Rechtsanwalt bei der Beratung des Mandanten zu berücksichtigen. Die Pflichten des Rechtsanwalts, der einen Mandanten steuerlich berät, beurteilen sich nach denselben Grundsätzen wie bei der Beratung in anderen Rechtsangelegenheiten. Daher ist anhand des konkreten Anwaltsvertrags sowie der Umstände des jeweiligen Falls zu prüfen, ob der Auftraggeber eine umfassende steuerrechtliche Beratung durch den Rechtsanwalt erwartet (vgl. Rdn 93 ff.).
Rz. 318
Grds. umfasst aber das einem Rechtsanwalt erteilte Mandat nicht auch die Beratung und Belehrung im Steuerrecht. Dies beruht darauf, dass Mandanten zwischen einer Beratung im Steuerrecht und einer Beratung auf anderen Rechtsgebieten zu unterscheiden pflegen. Viele Rechtsanwälte beraten nicht im Steuerrecht. Das Steuerrecht ist – ausgenommen in Bayern, und hier als Pflichtfach nur in Teilen – auch nicht Gegenstand der juristischen Ausbildung und der Zweiten Juristischen Staatsprüfung. Von dem Erfahrungssatz ist eine Ausnahme zu machen, wenn der beauftragte Rechtsanwalt Fachanwalt für Steuerrecht oder zugleich Steuerberater und/oder Wirtschaftsprüfer ist; in solchen Fällen liegt auch ein steuerrechtliches Mandat nahe. In anderen Fällen müssen hierzu bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, etwa die Vereinbarung einer besonderen Vergütung für die Steuerberatung (vgl. Rdn 29). Allgemein bekannte und geläufige steuerrechtliche Umstände muss der Anwalt aber bei der Beratung immer berücksichtigen.
Rz. 319
Beabsichtigt der Rechtsanwalt, das Steuerrecht aus dem Gegenstand des Auftrags auszuklammern, sollte er dies dem Mandanten zur Klarstellung vor Vertragsschluss anzeigen oder mit dem Auftraggeber während des laufenden Mandats eine entsprechende, den Vertragsinhalt ergänzende Abrede treffen (ausführlich zum Inhalt eines Anwaltsvertrags siehe § 1 Rdn 56–65). In beiden Fällen empfiehlt es sich, den Vertragsinhalt beweiskräftig festzuhalten. Von der tatbestandsmäßigen Beschreibung des Vertragsinhalts ist die Vereinbarung einer Haftungsbeschränkung gem. § 52 BRAO (vgl. § 1 Rdn 479–542) abzugrenzen.
Wenn der beauftragte Rechtsanwalt die steuerrechtliche Seite eines Mandats nicht selbst prüfen kann oder möchte, sollte er in Erwägung ziehen, dem Mandanten zu empfehlen, einen Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer hinzuzuziehen. Für die Zusammenarbeit des Rechtsanwalts mit einem Steuerberater bzw. Wirtschaftsprüfer gelten diejenigen Grundsätze, die für die Zusammenarbeit mit ausländischen Anwälten entwickelt worden sind (vgl. § 1 Rdn 356–384).