Rz. 172

Vor Erhebung einer Klage oder wenn mit einer Verteidigung des Antragsgegners gegen einen Mahnbescheid zu rechnen ist, sollte in Erwägung gezogen werden, eine außergerichtliche Streitschlichtung zu versuchen. Ein derartiger Antrag hemmt die Verjährung nach Maßgabe des § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB.[727] In den Fällen des § 15a EGZPO ist nach Maßgabe des Landesrechts eine Klage sogar erst zulässig, wenn versucht worden ist, den Streit vor einer Gütestelle einvernehmlich beizulegen. Nach Durchführung eines Mahnverfahrens ist dies allerdings nicht mehr nötig (vgl. § 15a Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 EGZPO). Die Einigung vor einer Gütestelle führt zu einem vollstreckbaren Titel nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Die Anforderungen an die Substanziierung des geltend gemachten Anspruchs sind bei einer Gütestelle geringer als bei einem ordentlichen streitigen Zivilverfahren. Damit die Verjährung eines Anspruchs durch einen Güteantrag gehemmt wird, muss dieser Anspruch in dem Antrag aber ausreichend individualisiert sein. Diese Individualisierung kann nach Ablauf der Verjährungsfrist auch nicht mehr verjährungshemmend nachgeholt werden.[728] Der Güteantrag muss zum einen die formalen Anforderungen erfüllen, die von den für die Tätigkeit der jeweiligen Gütestelle maßgeblichen Verfahrensvorschriften gefordert werden, und zum anderen für den Schuldner erkennen lassen, welcher Anspruch gegen ihn geltend gemacht werden soll, damit er prüfen kann, ob eine Verteidigung erfolgversprechend ist und ob er in das Güteverfahren eintreten möchte. Der Güteantrag muss dementsprechend einen bestimmten Rechtsdurchsetzungswillen des Gläubigers unmissverständlich kundgeben und hierzu die Streitsache darstellen sowie das konkrete Begehren erkennen lassen. Der verfolgte Anspruch ist also hinreichend genau zu bezeichnen. Allerdings sind insoweit keine allzu strengen Anforderungen zu stellen. Denn das Güteverfahren zielt – anders als die Klageerhebung oder das Mahnverfahren – auf eine außergerichtliche gütliche Beilegung des Streits ab und führt erst im Falle einer Einigung der Parteien zur Schaffung eines dieser Einigung entsprechenden vollstreckbaren Titels (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO); auch besteht keine strikte Antragsbindung wie im Mahn- oder Klageverfahren. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Güteantrag an die Gütestelle als neutrale Schlichterin und Vermittlerin gerichtet wird und diese zur Wahrnehmung ihrer Funktion ausreichend über den Gegenstand des Verfahrens informiert werden muss.[729]

Gem. § 91 Abs. 3 ZPO werden die Kosten eines gescheiterten Güteverfahrens vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle im Rahmen eines nachfolgenden Rechtsstreits berücksichtigt, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung nicht mehr als ein Jahr verstrichen ist.

Auf die Notwendigkeit eines obligatorischen Güteverfahrens hat der Anwalt selbstverständlich hinzuweisen.

In den letzten Jahren sind vermehrt freiwillige außergerichtliche Streitschlichtungsverfahren eingerichtet und autonome Streitlösungsmodelle entwickelt worden, etwa von den privaten Banken, den Versicherungen, den Industrie- und Handelskammern und den Handwerkskammern. Bietet sich nach Lage des Falles ein solches Verfahren an, etwa weil es für den Mandanten risikolos und kostengünstig ist, muss der Rechtsanwalt den Mandanten hierüber aufklären und dessen Entscheidung dazu einholen.[730] Er ist jedenfalls auf allgemeine Nachfrage dazu verpflichtet. Hinweisen muss er rechtzeitig darauf, dass eine außergerichtliche Einigung über die Scheidungsfolgen möglich ist.[731]

In hierfür geeigneten Fällen muss auch eine Mediation erwogen und empfohlen werden (vgl. dazu Rdn 355).

Die Pflichten des Anwalts in einem solchen Verfahren richten sich nach den hierfür vereinbarten Vertragspflichten. Es kann in manchen Fällen geboten sein, Lösungen außerhalb rechtlicher Kategorien zu suchen, etwa wenn es weniger um rechtliche Ansprüche als das Ermöglichen künftigen störungsfreien Zusammenlebens geht, z.B. bei Nachbar- oder Familienstreitigkeiten. Aber auch wenn bei gestörten Geschäftsbeziehungen von beiden Seiten eine weitere Zusammenarbeit gewollt ist, kann im Interesse der zukünftigen Beziehungen der Parteien auf die Aufarbeitung offener rechtlicher Fragen auch einmal verzichtet werden. In solchen Fällen kann die rechtliche Beratung des Anwalts zurückgestellt werden. Der Anwalt hat aber den Mandanten zuvor entsprechend zu belehren und die Grenzen der Beratung abzustecken. Werden keine besonderen Absprachen getroffen, gilt das allgemeine Pflichtenspektrum des Anwalts. Er muss dann den Mandanten auch im Rahmen solcher Verfahren umfassend und erschöpfend beraten und belehren.

[727] Eidenmüller, SchiedsVZ 2003, 163; Friedrich, NJW 2003, 1781; Staudinger/Eidenmüller, NJW 2004, 23; Zietsch/Roschmann, NJW 2001, Beil. zu Heft 51; Palandt/Ellenberger, BGB, § 204 Rn 19.

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