Rz. 138
Bei telefonischer Beratung durch den Anwalt oder Steuerberater im Rahmen eines bestehenden (oder telefonisch ergänzend abgeschlossenen) Vertrages gelten uneingeschränkt die allgemeinen Grundsätze.
Die Anwaltshotline hat die Besonderheit, dass bei dieser Form der Rechtsberatung ein Betreiber Telefonate zu den beratenden Rechtsanwälten weiterleitet und für die Beratung im Minutentakt Gebühren erhoben und eingezogen werden, die unter Abzug eines eigenen Anteils des Betreibers an den Rechtsanwalt ausgekehrt werden. Dieser wiederum zahlt dem Betreiber der Hotline eine Pauschale für Bereitstellung, Organisation und Marketing. Derartige Hotlines sind nach der Rechtsprechung des Wettbewerbs-Senats des BGH unbedenklich. Der durch den Anruf bei einer Anwaltshotline zustande kommende Beratungsvertrag werde mit dem den Anruf entgegennehmenden Rechtsanwalt geschlossen und nicht mit dem – zur Rechtsberatung nicht befugten – Unternehmen, das den Beratungsdienst organisiert und beworben habe. Der Rechtsanwalt, der sich an einer Anwaltshotline beteilige, verstoße damit nicht gegen berufsrechtliche Verbote. Insb. sei die Vereinbarung einer nach Gesprächsminuten berechneten Zeitvergütung, die entweder zu einer Gebührenunterschreitung oder gelegentlich auch zu einer Gebührenüberschreitung führe, nicht generell berufswidrig. Mit der Beteiligung an der Anwaltshotline sei auch nicht notwendig ein Verstoß gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen (§ 43a Abs. 4 BRAO), gegen das Provisionsverbot (§ 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO) oder gegen das Verbot der Abtretung von Gebührenansprüchen (§ 49b Abs. 4 Satz 2 BRAO) verbunden.
Online-Beratungen findet man im Internet angeboten, häufig erfolgt die Kommunikation weitgehend per E-Mail. Zweifellos kommt in diesen Fällen ein Anwaltsvertrag zwischen Mandant und Anwalt zustande, und zwar selbst in den Fällen, in denen der Mandant – entsprechend der Konzeption des Angebots – anonym bleibt. Es besteht aber sicher in manchen Fällen – v.a. bei sofortiger mündlicher Beratung – die Gefahr, dass der Anwalt ohne genügende Kenntnis des Sachverhalts und ohne hinreichende Prüfung der Rechtslage eine Antwort gibt. Auch ist nicht auszuschließen, dass der Anrufer zuweilen die abschließende rechtliche Lösung eines Problems erwarten wird, die der befragte Anwalt ohne präzise Kenntnis des Sachverhalts, ohne Studium des vorangegangenen Schriftwechsels und ohne weitere rechtliche Nachforschungen nicht bieten kann.
Aus diesen besonderen Umständen ergibt sich aber, soweit nicht eine Beschränkung des Beratungsumfangs vereinbart ist, keine Reduzierung der Pflichten des Anwalts. Es liegt deshalb an ihm, bei unzureichender Kenntnis oder Überprüfungsmöglichkeit des Sachverhalts oder Fehlen des für den Fall notwendigen präsenten Wissens dies offenzulegen und auf eine genaue Beratung im normalen Geschäftsgang zu verweisen. Sieht der Anwalt hiervon ab und berät er unzutreffend oder erteilt er fehlerhafte Belehrungen, haftet er dafür uneingeschränkt nach den allgemeinen Regeln. Das scheint aber bisher noch nicht praktisch geworden zu sein; entsprechende Urteile sind – soweit ersichtlich – nicht veröffentlicht worden. Das kann aber auch an der für den Mandanten in vielen dieser Fälle von vorneherein schwierigen Beweissituation liegen, vielleicht aber auch daran, dass Mandanten diese Form der Beratung nur für eine erste Einschätzung nutzen. Bei Kommunikation mit E-Mail ist die Beweissituation für den Mandanten immerhin günstiger.