Rz. 220
Es kann für einen Rechtsanwalt geboten sein, dem Mandanten zu empfehlen, einem Dritten den Streit zu verkünden (§§ 72 bis 74 ZPO), wenn dem Auftraggeber für den Fall eines ungünstigen Ausgangs eines Rechtsstreits gegen den Dritten ein Anspruch auf Gewährleistung oder auf Schadloshaltung zustehen kann oder wenn der Auftraggeber einen Anspruch des Dritten besorgt. Das Merkmal der Schadloshaltung ist erfüllt, wenn der Dritte den Schaden ersetzen muss, welcher der Partei dadurch erwächst, dass sie den im Prozess befangenen Anspruch erfüllen muss oder dessen Erfüllung nicht durchsetzen kann; dies gilt auch dann, wenn die beklagte Partei und der Dritte dem Streitverkünder alternativ haften, d.h. wenn derselbe Anspruch nicht nur gegen den Beklagten, sondern auch gegen den Dritten in Betracht kommt, aber nur eine dieser Personen verpflichtet sein kann. Eine Pflicht, einem Dritten den Streit zu verkünden, hat der BGH ausdrücklich für den Fall angenommen, dass sich während eines Rechtsstreits herausstellt, dass dem Auftraggeber für den Fall des Unterliegens Ansprüche gegen Dritte zustehen.
Rz. 221
Kann ein Mandant dem Rechtsanwalt, den er mit der Durchsetzung seines Honoraranspruchs beauftragt hat, nicht sicher benennen, wer von mehreren in Betracht kommenden Personen sein Vertragspartner ist, weil unklar ist, ob die den Auftrag erteilende Person als Vertreter mit oder ohne Vertretungsmacht gehandelt hat, muss der Rechtanwalt seinem Mandanten die Rechtslage erklären und ihm wegen der bestehenden Beweislastverteilung empfehlen, Klage gegen den Vertreter zu erheben und der als Geschäftsherr in Betracht kommenden Person den Streit zu verkünden.
Ist aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen zweifelhaft, ob eine vertragliche Verpflichtung im Wege der Vertragsübernahme auf einen Dritten übergegangen ist, hat der Rechtsanwalt, der zur Klage gegen den Dritten rät, seinem Mandanten zu empfehlen, dessen ursprünglichen Vertragspartner den Streit zu verkünden. Die Streitverkündung ist zwar ungeeignet, bei unklarer Rechts- oder Beweislage den Anspruchsgegner des Klägers festzustellen, wenn dieser im Verhältnis zu jedem in Betracht kommenden Anspruchsgegner beweispflichtig ist. Geht es jedoch um die Frage, ob an die Stelle des eigentlichen Vertragspartners eine andere Person getreten ist, ist der ursprüngliche Vertragspartner hierfür darlegungs- und beweispflichtig.
Rz. 222
Die Streitverkündung bewirkt von dem Zeitpunkt an, zu dem der Beitritt infolge der Streitverkündung möglich war, gem. § 74 ZPO den Eintritt der Interventionswirkung des § 68 ZPO. Dies bedeutet, dass der Streitverkündete sich im Verhältnis zu der Hauptpartei später grds. nicht mehr darauf berufen kann, dass der Rechtsstreit unrichtig entschieden worden sei. Im Ergebnis wird der Streitverkündete dadurch an die Ergebnisse des Vorprozesses gebunden. Neben diesen prozessualen Wirkungen hat eine Streitverkündung auch materiell-rechtliche Folgen. Insb. wird die Verjährung ggü. dem Streitverkündeten gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB; zur Verjährungsunterbrechung durch Streitverkündung vgl. Rdn 174). Neben der Streitverkündung in einem Rechtsstreit kann auch vertraglich mit dem Dritten vereinbart werden, dass dieser die Wirkungen der Streitverkündung gegen sich gelten lässt; dies kann insb. aus Kostengründen zu empfehlen oder anzustreben sein.
Rz. 223
Ein Rechtsanwalt, der es übernommen hat, in einem anhängigen Verfahren namens seines Mandanten einem Dritten den Streit zu verkünden oder die Wirkung der Streitverkündung durch Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung herbeizuführen, ist verpflichtet, seinen Mandanten über die Wirkung der Streitverkündung und insb. über die Dauer der Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 2 BGB zu belehren. Dies gilt zumindest dann, wenn das Ziel der Streitverkündung gerade auch in der Hemmung der Verjährung liegt. Der Rechtsanwalt muss seinen Auftraggeber vor einer Streitverkündung in einem Rechtsstreit ferner darüber aufklären, dass durch den Beitritt des Streitverkündeten aufseiten des Gegners im Fall eines Unterliegens gem. §§ 66, 101 ZPO zusätzliche Kosten anfallen. Deshalb kann, wenn Zweck der Streitverkündung nicht die Interventionswirkung, sondern nur die Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB ist, von der Streitverkündung abgesehen werden, wenn die Hemmung anderweitig sichergestellt werden kann, etwa durch Verhandlungen gem. § 203 BGB.