Rz. 532
Sämtliche vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Mandanten entstandene Vergütungsansprüche des Rechtsanwalts gegen den Mandanten werden mit Eröffnung des Verfahrens zu allgemeinen Insolvenzforderungen. Die Honorarforderungen können – selbst wenn sie tituliert sind – nicht mehr gegen den Schuldner geltend gemacht werden (§ 89 InsO); etwaige Zahlungen des Mandanten nach Eröffnung sind unwirksam (§ 81 InsO). Es bleibt die Anmeldung dieser Ansprüche zur Insolvenztabelle (§§ 174 ff. InsO).
Rz. 533
Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbrachte Vergütungszahlungen des Mandanten können der Anfechtung durch den Insolvenzverwalter unterliegen, wenn die Voraussetzungen der Anfechtungstatbestände der §§ 130, 131, 133 InsO gegeben sind. So hat der BGH Vergütungszahlungen, die kurz nach Stellung des Insolvenzantrages vorgenommen wurden, der Vorsatzanfechtung des § 133 InsO unterworfen. Der begünstigte Anwalt hatte infolge der Mitwirkung an der Antragstellung den gleichen Kenntnisstand wie der Schuldner, sodass davon auszugehen war, dass er die Gläubigerbenachteiligungsabsicht seines Mandanten kannte. Soweit an einen Rechtsanwalt Vorschusszahlungen in einer abgeschlossenen Angelegenheit erfolgen, für die bereits der Vergütungsanspruch fällig geworden, jedoch nicht geltend gemacht ist, sind die Leistungen inkongruent und können nach § 131 InsO anfechtbar sein. Auch die Übereignung einer Sache zur Sicherung einer anwaltlichen Vergütungsforderung kann der Insolvenzanfechtung unterliegen.
Rz. 534
Als Bargeschäft (§ 142 InsO) werden Leistungen des Schuldners privilegiert, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt ist. Insb. können auch Dienstleistungen eines Wirtschaftsprüfers, Steuerberaters oder Rechtsanwalts Bargeschäfte sein. Bei länger währenden Vertragsbeziehungen ist dafür zu verlangen, dass die jeweiligen Leistungen und Gegenleistungen zeitlich oder gegenständlich teilbar und zeitnah – entweder in Teilen oder abschnittsweise – ausgetauscht werden. Wenn zwischen dem Beginn der anwaltlichen Tätigkeit und der Erbringung einer Gegenleistung mehr als 30 Tage liegen, ist ein Bargeschäft zu verneinen. Dies entspricht der Verzugsfrist (§ 286 Abs. 3 BGB), die hier in Ermangelung anderer Anhaltspunkte als Maßstab für einen unmittelbaren Leistungsaustausch dienen kann. Rechtsanwälte werden dadurch nicht unangemessen benachteiligt. Denn sie können jederzeit Vorschüsse verlangen.
Allerdings sind die Voraussetzungen eines Bargeschäfts nicht erfüllt, wenn der Rechtsanwalt einen Vorschuss in einer Höhe geltend macht, der die wertäquivalente Vergütung für die nächsten 30 Tage überschreitet. Es ist einem Rechtsanwalt, der in den Genuss der anfechtungsrechtlichen Bargeschäftsausnahme kommen will, möglich und zumutbar, in regelmäßigen Abständen Vorschüsse einzufordern, die in etwa dem Wert seiner inzwischen entfalteten oder der in den nächsten 30 Tagen noch zu erbringenden Tätigkeit entsprechen. Ferner kann vereinbart werden, Teilleistungen gegen entsprechende Vergütung zu erbringen. Empfehlenswert ist es, für die Vergütung eine zeitabhängige Abrechnung – etwa nach § 3a RVG – zu wählen, um den tatsächlichen Arbeitsaufwand des Rechtsberaters vergütungstechnisch genau zu erfassen. Der Maßstab des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Leistung und Gegenleistung wird nicht größer, wenn es sich um (Vorschuss-)Zahlungen des Schuldners handelt. Auch hierfür gilt der 30-Tage-Maßstab.
Die Zahlung eines angemessenen Honorars für ernsthafte und nicht von vornherein als aussichtslos erscheinende Sanierungsbemühungen kann zwar selbst dann, wenn diese gescheitert sind, ein Bargeschäft sein. Dazu müsste die Masse jedoch zumindest teilweise eine gleichwertige Gegenleistung erhalten haben. Hierfür kommt nach den zeitlichen Grenzen des Bargeschäfts nur derjenige Teil der Leistungen infrage, den der Rechtsanwalt innerhalb von 30 Tagen nach dem Erhalt der Vergütungen erbracht hat. Die von dem Rechtsberater unternommenen Bemühungen, wie etwa die Ausarbeitung eines Konzeptpapiers für einen künftigen Sanierungsplan, müssen einen praktischen Nutzen für den Mandanten und Schuldner aufweisen. Ein solcher Nutzen steht aber im Fall eine Insolvenzplanes erst dann in Aussicht, wenn ein aus dem Konzept weiter zu entwickelnder Insolvenzplan die Zustimmung der Gläubiger erwarten lässt. Haben sich die Möglichkeiten der Gläubigerbefriedigung durch die Leistung des Rechtsberaters noch nicht so verbessert, dass dadurch auch nur ein Teil des abgeflossenen Honorars wertgleich in das Schuldnervermögen zurückgelangt ist, fehlt es an einer hinreichenden Gegenleistung des Anwalts.
Rz. 535
Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Mandanten eröffnet, kann eine in "kritischer Zeit" erklärte Aufrechnung des Anwalts wegen offenstehender Vergütungsansprüche gegen Herausgabeansprüche des Mandanten – etwa aus Abfü...