Rz. 38
Auch die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen setzt im Grundsatz den Ablauf einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung voraus. Hiervon ausgenommen sind solche Schadenspositionen, bei denen eine Nachfrist den Schaden nicht verhindert hätte und daher sinnlos war. Das sind vor allem Mangelfolgeschäden.
Rz. 39
Im Übrigen gelten die allgemeinen Regeln für eine Entbehrlichkeit der Fristsetzung (endgültige und ernsthafte Erfüllungsverweigerung, Fehlschlagen der Nacherfüllung etc., vgl. §§ 636, 323 Abs. 2, 281 Abs. 2 BGB).
Rz. 40
Es gibt im Rahmen des Mängelrechts nach BGB zwei Arten von Schadensersatz:
▪ |
Schadensersatz statt der Leistung (in der Form des kleinen und großen Schadensersatzes) und |
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Schadensersatz neben der Leistung (vor allem Mangelfolgeschäden). |
Rz. 41
Im Werkvertragsrecht sind die Fallgruppen "kleiner und großer Schadensersatz" sowie "Mangelfolgeschäden" die relevantesten und die entsprechende Terminologie hat sich eingebürgert. Sie wird daher auch in der Folge anstelle des Begriffspaares Schadensersatz neben und statt der Leistung verwendet.
Rz. 42
Kleiner und großer Schadensersatz richten sich nach § 634 Nr. 4 i.V.m. § 281 BGB, während Mangelfolgeschäden nach § 634 Nr. 4 i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB zu ersetzen sind. Kleiner und großer Schadensersatz sichern die in der Sache selbst liegenden Schäden ab, die einer Nacherfüllung zugänglich sind. Über § 280 Abs. 1 BGB werden indes die Schäden an sonstigen Rechtsgütern des Bestellers geschützt, darüber hinaus auch die Schäden, die von Anfang an einer Nacherfüllung nicht zugänglich waren.
a) Kleiner Schadensersatz
Rz. 43
Mit dem kleinen Schadensersatz verlangt der Besteller, der das Werk behält, die Mangelschäden ersetzt, die dem Werk anhaften und die bei einer erfolgreichen Nachbesserung nicht entstanden wären.
Rz. 44
In ausdrücklicher Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung hat der BGH in einem Urt. v. 22.2.2018 entschieden, dass der Besteller im Wege des kleinen Schadensersatzes nicht die fiktiven Mängelbeseitigungskosten ersetzt verlangen kann. Die langjährige Praxis, (möglicherweise hohe) fiktive Mängelbeseitigungskosten als Schadensersatz zu vereinnahmen und dann den Mangel mit geringerem Aufwand oder gar nicht beseitigen zu lassen, ist damit nicht mehr möglich. Das gilt jedoch nicht für Mangelfolgeschäden an Bauteilen außerhalb des Gewerks des Unternehmers. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Strom-, Gas oder Wasserleitungen verlegt werden und infolge deren Mangelhaftigkeit Schäden am Mauerwerk entstehen. Diese Schäden betreffen nicht das Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, sondern das Integritätsinteresse, sprich den Schutz anderer Rechtsgüter (vgl. zur Abgrenzung Rdn 42). Diese Kosten sind gerade nicht vom Nacherfüllungsanspruch und vom Vorschussanspruch erfasst und können daher als Mangelfolgeschaden (zusätzlich) geltend gemacht werden.
Als Schadensersatzpositionen kommen beispielsweise in Betracht: der Minderwert des Bauwerks infolge der Mangelhaftigkeit (z.B. auf Grundlage eines tatsächlichen Mindererlöses bei einem Verkauf oder auch auf Grundlage von Wertgutachten), der Minderwert der Bauleistung (d.h. Minderung der Vergütung unter Berücksichtigung des auf den mangelhaft ausgeführten Werkteil entfallenden Vergütungsanteils, entsprechend den Grundsätzen zur Minderung – vgl. Rdn 37), ein merkantiler Minderwert, aber natürlich weiterhin auch die Kosten einer tatsächlich durchgeführten Mängelbeseitigung, soweit diese als Schadensersatz und nicht über die Anspruchsgrundlage Selbstvornahme (§ 637 BGB) geltend gemacht werden.
b) Großer Schadensersatz
Rz. 45
Großer Schadensersatz (auch Schadensersatz statt der ganzen Leistung, § 281 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB) bedeutet, dass der Besteller den gesamten Vertrag rückabwickelt. Er gibt die Werkleistung zurück (Standardfall Bauträgervertrag) und verlangt im Gegenzug alle Zahlungen sowie etwaigen Mehraufwand zurück. Die Schadensberechnung ist in solchen Fällen regelmäßig kompliziert, da insbesondere eine umfangreiche Anrechnung von Gebrauchsvorteilen stattfindet (Mieteinnahmen, Steuervorteile).
Die Geltendmachung des großen Schadensersatzes ist ausgeschlossen, wenn nur ein unerheblicher Mangel vorliegt, § 281 Abs. 1 S. 3 BGB.
c) Mangelfolgeschäden
Rz. 46
Mangelfolgeschäden kann der Besteller zusätzlich zum kleinen oder großen Schadensersatz und auch den sonstigen Mängelansprüchen (z.B. Erstattung der Kosten der Selbstvornahme) geltend machen. Häufig wiederkehrende Schadenspositionen sind hier etwa Nutzungsausfall, Miete einer Ersatzsache und Gutachterkosten. Für erst künftig entstehende Mangelfolgeschäden kann ein Zahlbetrag nur dann verlangt werden, wenn sicher ist, dass diese anfallen. Wenn und soweit das Entstehen von Schäden noch unsicher ist, muss dieses Risiko über einen Feststellungsantrag a...