Rz. 150
Zur Sicherung vor nachteiligen Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners hat das Insolvenzgericht alle Maßnahmen zu treffen, die im konkreten Fall notwendig und erforderlich erscheinen (§ 21 Abs. 1 InsO). Der Maßnahmenkatalog in § 21 Abs. 2 InsO ist aber keineswegs abschließend zu verstehen, sondern nur beispielhaft, wie das Wort "insbesondere" in § 21 Abs. 2 InsO zu Beginn verdeutlicht.
Rz. 151
Das Insolvenzgericht kann daher im Eröffnungsverfahren beispielhaft folgende Maßnahmen zur Sicherung der Insolvenzmasse erlassen:
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einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO), |
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ein allgemeines Verfügungsverbot erlassen (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO), |
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einen Zustimmungsvorbehalt anordnen (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO), |
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ein Vollstreckungsverbot erlassen, indem Maßnahmen der Mobiliarzwangsvollstreckung untersagt oder einstweilen eingestellt werden (§ 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO, nicht Immobiliarvollstreckungsmaßnahmen), |
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anordnen, dass Gegenstände, die im Fall der Eröffnung des Verfahrens von § 166 InsO erfasst wurden oder deren Aussonderung verlangt werden kann, vom Gläubiger nicht verwertet oder eingezogen werden dürfen und dass solche Gegenstände zur Fortführung des Unternehmens des Schuldners eingesetzt werden können, soweit sie hierfür von erheblicher Bedeutung sind (§ 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO). |
Rz. 152
Hinweis
Wird zugleich mit der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters ein allgemeines Verfügungsverbot erlassen, geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über (§ 22 Abs. 1 InsO).
Rz. 153
Dies gilt auch nach Zulassung eines Verbraucherinsolvenzantrags (§§ 304, 305 InsO). Auch hier kann das Insolvenzgericht Sicherungsmaßnahmen i.S.v. § 21 InsO treffen (§ 306 Abs. 2 InsO).
Rz. 154
Die Maßnahmen bzw. Verbote werden wirksam mit Erlass (Datum und Stunde der Anordnung sind anzugeben, §§ 21 bis 24 InsO i.V.m. § 27 InsO und §§ 81, 82 InsO); auf den Zeitpunkt der Zustellung an den Schuldner kommt es nicht an.
Rz. 155
Die angeordnete Untersagung der Zwangsvollstreckung betrifft zunächst nur Maßnahmen der Mobiliarvollstreckung (vgl. § 21 Abs. 2 Nr. 3 a.E. InsO). Dort ist sie ein Vollstreckungshindernis. Dieses Vollstreckungsverbot umfasst nicht nur das bei seinem Erlass bereits vorhandene Vermögen, sondern auch diejenigen Vermögenswerte, die der Schuldner nachträglich, aber vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben hat. Die Untersagung der Zwangsvollstreckung bedeutet, dass Vollstreckungsmaßnahmen nicht mehr zulässig sind, eine nach Wirksamwerden des Verbots erlassene Vollstreckungsmaßnahme ist aufzuheben.
Rz. 156
Die Untersagung von Vollstreckungsmaßnahmen nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO betrifft nicht die Durchsetzung eines Duldungsanspruchs des Gläubigers nach § 892 ZPO (z.B. Titel auf Gewährung des Zutritts zur Wohnung auf Duldung zur Sperrung des Stromzählers). Hier geht es nicht um eine Vollstreckung in das bewegliche Vermögen, sondern um die Vollstreckung einer vertretbaren Handlung i.S.d. § 887 ZPO. Wenn der Schuldner dem Gläubiger den Zutritt verweigert, ist der Gläubiger zur Überwindung dieses Widerstandes auf die Hilfe des Gerichtsvollziehers angewiesen.
Rz. 157
Das angeordnete Vollstreckungsverbot erfasst nicht bewegliche Sachen, an denen ein Absonderungsrecht besteht. Im Hinblick auf die Regelung in § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO muss ein entsprechendes Verbot ausdrücklich angeordnet werden.
Rz. 158
Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung führt zu einem Vollstreckungshindernis i.S.v. § 775 Nr. 2 ZPO mit der Folge, dass nach § 776 ZPO bereits getroffene Maßnahmen einstweilen bestehen bleiben. Verstrickung und Pfändungspfandrecht bleiben erhalten, der Gläubiger bleibt damit zunächst gesichert.