Rz. 211
Weiterhin hat der Gerichtsvollzieher das Pfändungsverbot gem. § 811 ZPO (§ 812 ZPO weggefallen) zu beachten. Nach dem Grundgesetz muss jeder Person das Existenzminimum verbleiben, um ein menschenwürdiges Dasein führen zu können. Der Katalog des § 811 Abs. 1 ZPO dient daher dem Schuldner als Schutz vor einer "Kahlpfändung" und bestimmt gewisse Sachen als unpfändbar. Aber auch andere Personen, z.B. Familienangehörige, werden in diesen Schutz einbezogen (vgl. § 811 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, 6, 8 ZPO).
Rz. 212
Nach § 811 Abs. 1 Nr. 1 ZPO sind solche Sachen unpfändbar, die der Schuldner oder eine Person, mit der er in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebt, benötigt
a) |
für eine bescheidene Lebens- und Haushaltsführung; |
b) |
für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder eine damit in Zusammenhang stehende Aus- oder Fortbildung; |
c) |
aus gesundheitlichen Gründen; |
d) |
zur Ausübung von Religion oder Weltanschauung oder als Gegenstand religiöser oder weltanschaulicher Verehrung, wenn ihr Wert 500 EUR nicht übersteigt. |
Rz. 213
Nach Buchst. a von § 811 Abs. 1 Nr. 1 ZPO werden Sachen vor Pfändungen geschützt, die der Schuldner oder eine Person, mit der er in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebt, für eine bescheidene Lebens- und Haushaltsführung benötigt. Dies entspricht im Kern der bisherigen Regelung, nur ist die bisherige Aufzählung von einzelnen Sachen wie Kleidungsstücken, Wäsche, Betten oder Haus- und Küchengerät entfallen. Bei der Frage der Pfändbarkeit ist immer der zeitgemäße Lebensstandard zu berücksichtigen.
Rz. 214
Sachen, die der Schuldner für eine Lebens- und Haushaltsführung benötigt, die nicht als bescheiden angesehen werden können, sollen nicht gepfändet werden, wenn offensichtlich ist, dass durch ihre Verwertung nur ein Erlös erzielt würde, der in keinem Verhältnis zum Anschaffungswert steht, § 811 Abs. 4 ZPO.
Rz. 215
Beispiele
Pfändbar sind:
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Fahrrad, |
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Armbanduhr (wertabhängig), |
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Briefmarken (da in Geld wechselbar), |
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Bügelmaschine, |
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CD-Player, |
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Faxgerät, es fällt unter § 811 Abs. 1 Nr. 1b ZPO, |
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Geschirrspüler, |
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Stereoturm, |
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Stereoanlage, |
▪ |
Klavier, es sei denn, es fällt unter § 811 Abs. 1 Nr. 1b ZPO, |
▪ |
Musikinstrumente, es sei denn, sie fallen unter § 811 Abs. 1 Nr. 1b ZPO, |
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Radio, |
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Spiegelreflexkamera, |
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Videorekorder, |
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Gefriertruhe, selbst wenn kein Kühlschrank vorhanden ist. |
Rz. 216
Pfändbar ist auch die Waschmaschine einer alleinstehenden Person, die weder behindert noch betagt ist; aber auch in einem aus zwei Personen bestehenden Haushalt, dem Schuldner ist zuzumuten, seine Wäsche einer Wäscherei anzuvertrauen oder einen Waschsalon in Anspruch zu nehmen.
Rz. 217
Nicht pfändbar sind:
▪ |
Einbauküche, |
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Fertiggarage, |
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Kleidung, |
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Kühlschrank, |
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Staubsauger. |
Rz. 218
Ein Fernsehgerät ist nicht pfändbar, selbst dann, wenn der Schuldner zusätzlich noch über ein Rundfunkgerät verfügt, welches dann gepfändet werden könnte, sofern kein Fall von § 811 Abs. 4 vorliegt.
Rz. 219
Das BVerfG hat bereits mit Urt. v. 27.2.2008 entschieden, die jüngere Entwicklung der Informationstechnik habe dazu geführt, dass informationstechnische Systeme allgegenwärtig und ihre Nutzung für die Lebensführung vieler Bürger von zentraler Bedeutung sei. Die Nutzung der Informationstechnik hat für die Persönlichkeit und die Entfaltung des Einzelnen eine früher nicht absehbare Bedeutung erlangt. Dies gilt zunächst für PCs. Die Relevanz der Informationstechnik für die Lebensgestaltung des Einzelnen erschöpft sich nach Ansicht des BVerfG nicht in der größeren Verbreitung und Leistungsfähigkeit von PCs. Daneben enthalten zahlreiche Gegenstände, mit denen große Teile der Bevölkerung alltäglich umgehen, informationstechnische Komponenten. So liegt es beispielsweise zunehmend bei Telekommunikationsgeräten oder elektronischen Geräten, die in Wohnungen oder Kraftfahrzeugen enthalten sind. Der Leistungsumfang informationstechnischer Systeme und ihre Bedeutung für die Persönlichkeitsentfaltung nehmen noch zu, wenn solche Systeme miteinander vernetzt werden. Dies wird insbesondere aufgrund der gestiegenen Nutzung des Internet durch große Kreise der Bevölkerung mehr und mehr zum Normalfall. Auch wenn die Rechtsprechung insoweit noch nicht zu einer einhelligen Ansicht gefunden hat, muss heute der PC bzw. Laptop oder das Tablet bzw. Smartphone nach § 811 Abs. 1 Nr. 1 (jetzt 811 Abs. 1 Nr. 1a, b) ZPO grundsätzlich unpfändbar sein.
Rz. 220
Nach § 811 Abs. 1 Nr. 1b ZPO besteht weiterer Pfändungsschutz für Sachen, die der Schuldner oder eine Person, mit der er in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebt, benötigt für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder eine damit in Zusammenhang stehende Aus- oder Fortbildung. Die Vorschrift ersetzt im Wesentlichen den bisherigen Schutz aus § 811 Abs. 1 Nr. 4–7 und 9 ZPO a.F.
Rz. 221
Der Schutz zugunsten des Ehepartners oder anderer Familienangehörigen wurde schon früher bejaht.