Rz. 243
Hat sich der Verkäufer einer beweglichen Sache das Eigentum bis zur Zahlung des Kaufpreises vorbehalten, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Übertragung des Eigentums unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger Zahlung des Kaufpreises erfolgt und dass der Verkäufer zum Rücktritt von dem Vertrag berechtigt ist, wenn der Käufer u.a. mit der Zahlung in Verzug kommt (§ 449 BGB). Der Schuldner, als Käufer der Sache, wird mit der Übergabe zunächst Besitzer, das Eigentum erwirbt er unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger Zahlung des Kaufpreises (§ 158 Abs. 1 BGB). Mit Zahlung der letzten Kaufpreisrate geht das Eigentum auf ihn über.
Rz. 244
Die Rechtsposition des Käufers wird als Anwartschaftsrecht bezeichnet, da der Eigentumserwerb nur noch von seinem Willen, durch Zahlung der vollständigen Restkaufpreissumme, abhängt. Das Anwartschaftsrecht ist ein wesensgleiches Minus des Vollrechts, wird wie das Eigentum selbst übertragen und unterliegt somit auch der Pfändung. Die Pfändung erfolgt im Wege der Rechtspfändung (§§ 857, 829 ZPO) und wird wirksam mit Zustellung an den Drittschuldner, den Verkäufer der Sache.
Rz. 245
Mit Zahlung der letzten Kaufpreisrate erlangt der Schuldner das Volleigentum an der Sache. Das Pfandrecht an dem Anwartschaftsrecht setzt sich bei Bedingungseintritt, Zahlung der letzten Kaufpreisrate, jedoch nicht an dem Eigentum an der Sache selbst fort. Der Gegenstand als solcher wird durch den Gerichtsvollzieher gem. § 808 ZPO gepfändet und durch Anbringung des Pfandsiegels nach außen hin kenntlich gemacht (Publizitätswirkung). Diese Wirkung nach außen fehlt bei der Umwandlung des Anwartschaftsrechts in das Vollrecht und Übergang des Pfandrechts an dem Eigentum. Hinzutreten muss die Sachpfändung (Theorie der Doppelpfändung).
Rz. 246
Hinweis
Unabhängig von dem Theorienstreit ist dem Gläubiger in jedem Fall die Doppelpfändung zu empfehlen, auch wenn hierdurch Mehrkosten verursacht werden. Diese Doppelpfändung bewirkt für den Gläubiger Folgendes:
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Aufgrund der Pfändung des Anwartschaftsrechts ist der Verkäufer verpflichtet, dem Gläubiger Auskunft über die Höhe der Restschuld des Ratenkaufs zu geben (§§ 840, 836 Abs. 1 ZPO). |
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Der Gläubiger ist dann berechtigt, den Restkaufpreis für den Schuldner an den Verkäufer zu leisten. Der Verkäufer kann die Zahlungsannahme dann nicht verweigern, wenn der Gläubiger das Anwartschaftsrecht des Schuldners gegenüber dem Verkäufer gepfändet hat (§ 267 BGB). |
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Mit Zahlung verliert der Verkäufer auch sein Recht als Vorbehaltseigentümer, der Pfändung der Sache durch eine Drittwiderspruchsklage zu widersprechen (§ 771 ZPO). |
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Mit der Zahlung wandelt sich das Anwartschaftsrecht in das Vollrecht (= Eigentum) um, aufgrund der Sachpfändung erstreckt sich das Pfandrecht an dem Anwartschaftsrecht nunmehr auch an dem Eigentum der Sache. Für den Rang des Pfandrechts ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem das Anwartschaftsrecht durch Pfändung wirksam wurde. |
Rz. 247
Der Gläubiger kann den Betrag, den er an den Verkäufer als Restzahlung geleistet hat, im Wege der Zwangsvollstreckung als notwendige Kosten geltend machen (§ 788 ZPO). Eine gesonderte Festsetzung dieser Kosten ist nicht erforderlich.
Rz. 248
Hinweis
Will der Gläubiger unnötige Kosten vermeiden, sollte er zunächst nur die Sachpfändung vorziehen. Handelt es sich um einen unpfändbaren Gegenstand (z.B. nach § 811 Abs. 1 ZPO), ist auch die Anwartschaftsrechtspfändung unzulässig. Hat der Schuldner das Anwartschaftsrecht bereits auf einen Dritten übertragen, geht die Rechtspfändung ins Leere. Da der Gerichtsvollzieher die Eigentumsverhältnisse nicht prüft, sondern nur den Gewahrsam, wird er die Sachpfändung durchführen; der Vorbehaltsverkäufer muss ggf. seine Rechte im Wege der Drittwiderspruchsklage durchsetzen.
Rz. 249
Kostenhinweis
Für die Sachpfändung erhält der Gerichtsvollzieher die Gebühr nach GvKostG KV
Ein Pfändungsauftrag des Gläubigers, der unter der aufschiebenden Bedingung gestellt wird, dass eine Pfändung nur nach Abgabe der Vermögensauskunft erfolgen soll und auch nur dann, soweit sich hieraus pfändbare Gegenstände ergeben sollten, gilt erst dann als gestellt, wenn die Bedingung "Vorhandensein pfändbarer Gegenstände" eingetreten ist. Sofern diese Bedingung nicht eintritt, entsteht auch keine Gebühr nach KV 604 i.V.m. KV 205 für eine nicht erledigte Amtshandlung.