Rz. 1
a) Der Fall
Rz. 2
Der am 13.1.1998 geborene Kläger nahm die beklagte Stadt wegen der Folgen eines Unfalls beim Besuch des Kindergartens auf Schmerzensgeld in Anspruch.
Rz. 3
Der Kläger besuchte gemäß einer Anmeldung seiner Eltern eine so genannte Waldkindergartengruppe des von der Beklagten betriebenen Kindergartens. Am 21.4.2004 begaben sich die Kinder mit zwei Erzieherinnen in den an das Kindergartengelände angrenzenden Wald, um dort zu spielen und mit Naturmaterialien und mitgebrachten Werkzeugen zu basteln. Ein anderes Kind der Gruppe zog einen im Boden steckenden Schraubenzieher heraus und verletzte bei einer Rückwärtsbewegung den Kläger am rechten Auge, dessen Hornhaut perforiert wurde. Am Abend desselben Tages wurde der Kläger operiert; weitere Behandlungen schlossen sich an. Ein Schielen konnte später operativ behoben werden. Verblieben sind eine Hornhautverkrümmung rechts, eine Hornhautnarbe rechts mit Herabsetzung des Sehvermögens und eine Blendungsempfindlichkeit. Um ein erneutes Schielen zu vermeiden und seine volle Sehfähigkeit zu erreichen, muss der Kläger auf Dauer eine Brille tragen.
Rz. 4
Der Kläger warf der Beklagten vor, die für sie tätigen Erzieherinnen hätten ihre Sorgfaltspflichten verletzt.
Rz. 5
Der Kläger hat die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes von mindestens 25.000 EUR begehrt, außerdem die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, ihn von künftigen materiellen und immateriellen Schäden freizustellen. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Mit der vom OLG zugelassenen Revision verfolgte der Kläger den Schmerzensgeldantrag weiter.
Rz. 6
Im Laufe des Revisionsverfahrens hat die Unfallkasse durch bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 13.2.2009 den Unfall als Versicherungsfall (Arbeitsunfall) i.S.d. § 8 SGB VII anerkannt.
b) Die rechtliche Beurteilung
Rz. 7
Die zulässige Revision hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hatte den vom Kläger geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch im Ergebnis zu Recht als gemäß § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII ausgeschlossen erachtet.
Rz. 8
Nach dieser Vorschrift sind Unternehmer den Versicherten, die für ihr Unternehmen tätig sind oder zu diesem in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, zum Ersatz von Personenschäden nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben.
Rz. 9
Das Berufungsgericht war bei der Prüfung eines Haftungsausschlusses von zutreffenden rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen: Der Kläger war gesetzlich Unfallversicherter, weil er als Kind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. a SGB VII eine nach § 45 Abs. 1 S. 1 SGB VIII erlaubnispflichtige Tageseinrichtung – den Kindergarten der Beklagten – besuchte. Die Beklagte war Sachkostenträgerin der Kindertageseinrichtung und damit nach § 136 Abs. 3 Nr. 3 SGB VII als Unternehmerin anzusehen. Die Verletzung des rechten Auges des Klägers während des Besuchs des Kindergartens war ein durch eine versicherte Tätigkeit hervorgerufener Personenschaden. Der Versicherungsfall wurde weder vorsätzlich noch auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt. Der Haftungsausschluss bezieht sich auf alle Haftungsgründe des bürgerlichen Rechts (BAG, VersR 2005, 1439, 1440 unter B. II. 1. a; Geigel/Wellner, Der Haftpflichtprozess, 25. Aufl., 31. Kapitel Rn 13; jeweils m.w.N.).
Rz. 10
Allerdings hatte das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung § 108 SGB VII nicht beachtet. Nach dieser Vorschrift sind Gerichte außerhalb der Sozialgerichtsbarkeit bei Entscheidungen über die in den §§ 104 bis 107 SGB VII genannten Ansprüche hinsichtlich der Frage, ob ein Versicherungsfall vorliegt, an unanfechtbare Entscheidungen der Unfallversicherungsträger und der Sozialgerichte gebunden. Nach § 108 Abs. 2 SGB VII hat das Gericht sein Verfahren auszusetzen, bis eine Entscheidung nach Abs. 1 ergangen ist. Falls ein solches Verfahren noch nicht eingeleitet ist, bestimmt es dafür eine Frist, nach deren Ablauf die Aufnahme des ausgesetzten Verfahrens zulässig ist (vgl. BGHZ 158, 394, 396).
Rz. 11
Dieser Fehler des Berufungsgerichts zwang jedoch nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Durch den bestandskräftig gewordenen Bescheid des Unfallversicherungsträgers vom 13.2.2009 gemäß § 108 Abs. 1 SGB VII war nunmehr mit bindender Wirkung auch für die Zivilgerichte festgestellt, dass ein Versicherungsfall vorlag (vgl. BGHZ 166, 42, 44). Dass dieser Bescheid erst im Laufe des Revisionsverfahrens erlassen worden ist, stand seiner Berücksichtigung durch den erkennenden Senat nicht entgegen. Die Rechtsprechung...