Rz. 420
Das Berufungsurteil hielt einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das LG hatte der Klägerin zu Recht gemäß § 116 Abs. 1 SGB X, §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. § 9 Abs. 5 StVO den geltend gemachten Anspruch zugesprochen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lag keine vorübergehende betriebliche Tätigkeit auf einer gemeinsamen Betriebsstätte i.S.d. § 106 Abs. 3 Fall 3 SGB VII vor, welche eine Haftungsprivilegierung nach §§ 104, 105 SGB VII oder nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses rechtfertigen könnte.
Rz. 421
Nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats erfasst der Begriff der "gemeinsamen Betriebsstätte" betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen, die bewusst und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinandergreifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen, wobei es ausreicht, dass die gegenseitige Verständigung stillschweigend durch bloßes Tun erfolgt. Erforderlich ist ein bewusstes Miteinander im Betriebsablauf, das sich zumindest tatsächlich als ein aufeinander bezogenes betriebliches Zusammenwirken mehrerer Unternehmen darstellt. Die Tätigkeit der Mitwirkenden muss im faktischen Miteinander der Beteiligten aufeinander bezogen, miteinander verknüpft oder auf gegenseitige Ergänzung oder Unterstützung ausgerichtet sein. § 106 Abs. 3 Fall 3 SGB VII ist nicht schon dann anwendbar, wenn Versicherte zweier Unternehmen auf derselben Betriebsstätte aufeinandertreffen. Eine "gemeinsame" Betriebsstätte ist nach allgemeinem Verständnis mehr als "dieselbe" Betriebsstätte; das bloße Zusammentreffen von Risikosphären mehrerer Unternehmen erfüllt den Tatbestand der Norm nicht. Parallele Tätigkeiten, die sich beziehungslos nebeneinander vollziehen, genügen ebenso wenig wie eine bloße Arbeitsberührung. Erforderlich ist vielmehr eine gewisse Verbindung zwischen den Tätigkeiten als solchen in der konkreten Unfallsituation, die eine Bewertung als "gemeinsame" Betriebsstätte rechtfertigt.
Rz. 422
Zwar legte das Berufungsgericht der Prüfung die zutreffende Definition der gemeinsamen Betriebsstätte i.S.d. § 106 Abs. 3 Fall 3 SGB VII zugrunde. Es gab auch zutreffend die Merkmale wieder, die nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats für die "gemeinsame" Betriebsstätte prägend sind. Das Berufungsgericht ließ aber außer Betracht, dass im Streitfall die Verbindung zwischen den Tätigkeiten als solchen in der konkreten Unfallsituation fehlte, die die "gemeinsame Betriebsstätte" entscheidend kennzeichnet. Die Beurteilung, ob in einer Unfallsituation eine "gemeinsame" Betriebsstätte vorlag, muss sich auf konkrete Arbeitsvorgänge beziehen und knüpft daran an, dass eine gewisse Verbindung zwischen den Tätigkeiten als solchen in der konkreten Unfallsituation gegeben ist.
Rz. 423
Eine solche Verbindung zwischen den Tätigkeiten des Geschädigten, der Teer- und Asphaltierarbeiten durchführte, und der Tätigkeit des Beklagten zu 2, welcher das dafür erforderliche Füllmaterial anlieferte, läge zwar vor, wenn sich der Unfall entsprechend dem nach den Ausführungen der Beklagten üblichen Arbeitsablauf bei den Abladevorgängen am "Fertiger" an der Baustelle selbst zugetragen hätte. Unstreitig befand sich der Geschädigte zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Unfalls aber nicht an der Stelle, wo an dem "Fertiger" gearbeitet wurde, bzw. bei dem Bagger, wo der Abladevorgang stattfinden sollte. Er hatte sich vielmehr von dieser Stelle wegbegeben und war im Zeitpunkt des Unfalls wieder auf dem Rückweg zur Baustelle, als er zwischen den geparkten Fahrzeugen eingequetscht wurde.
Rz. 424
Das Berufungsgericht hatte für die "gewisse Verbindung zwischen den Tätigkeiten als solchen in der konkreten Unfallsituation" alleine darauf abgestellt, dass der Geschädigte beiseitegetreten war, um den rückwärtsfahrenden Lkw, an dessen Steuer der Beklagte zu 2 saß, vorbeifahren zu lassen. Dies stelle ein stillschweigend aufeinander abgestimmtes Verhalten dar und reiche für die Bejahung einer gemeinsamen Betriebsstätte in der konkreten Unfallsituation aus. Dies traf indes nicht zu. Zwar kann die notwendige Arbeitsverknüpfung im Einzelfall auch dann bestehen, wenn die von den Beschäftigten verschiedener Unternehmen vorzunehmenden Maßnahmen sich nicht sachlich ergänzen und unterstützen, die gleichzeitige Ausführung der betreffenden Arbeiten wegen der räumlichen Nähe aber eine Verständigung über den Arbeitsablauf erfordert und hierzu konkrete Absprachen getroffen werden. Das ist etwa dann der Fall, wenn ein zeitliches und örtliches Nebeneinander dieser Tätigkeiten nur bei Einhaltung von besonderen beiderseitigen Vorsichtsmaßnahmen möglich ist und die Beteiligten solche vereinbaren. Eine solche Verständigung ergab sich aber aus den Feststellungen des Berufungsgerichts und dem Beklagtenvortrag nicht. Zwar hatten die Beklagten auch vorgetragen, der Geschädigte habe die Annäherung des Lkw an den Abladeort und den Abladevorgang beobachten und g...