Rz. 487
Das Berufungsgericht war der Auffassung, dass sich der Beklagte nicht auf den Haftungsausschluss nach § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII berufen könne. § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII komme nur für "Versicherte" zur Anwendung. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, weil der Kläger selbstständiger Unternehmer und auch nicht freiwillig versichert sei. Zur Klärung der strittigen Rechtsfrage, ob bei Schädigung eines nicht versicherten Unternehmers, der vorübergehend auf einer gemeinsamen Betriebsstätte mit Versicherten eines anderen Unternehmens betriebliche Tätigkeiten verrichtet, infolge der Verweisung auf § 105 SGB VII in § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII die Haftungsprivilegierung über § 105 Abs. 2 SGB VII zugunsten des versicherten Schädigers zum Tragen komme, hat das Berufungsgericht die Revision zugelassen.
Rz. 488
Das angefochtene Urteil hielt revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.
Das Berufungsurteil hatte keinen Bestand, weil das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen hatte, ob die Entscheidung der Bau-Berufsgenossenschaft R. und W., dass ein Versicherungsfall nicht vorliege, auch gegenüber dem Beklagten bindend geworden ist (§ 108 SGB VII). Darauf kommt es jedoch für die Verneinung einer Haftungsprivilegierung nach den §§ 105, 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII für den Beklagten an. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung kann von einer auch gegenüber dem Beklagten bindenden Entscheidung der Berufsgenossenschaft R. und W. nicht ausgegangen werden.
Rz. 489
Die Bindungswirkung nach § 108 Abs. 1 SGB VII ist auf die Entscheidungen darüber beschränkt, ob ein Versicherungsfall vorliegt, in welchem Umfang Leistungen zu erbringen sind, und ob der Unfallversicherungsträger zuständig ist. § 108 Abs. 1 SGB VII verfolgt das Ziel, durch die Bindung von Gerichten außerhalb der Sozialgerichtsbarkeit an unanfechtbare Entscheidungen der Unfallversicherungsträger und Sozialgerichte divergierende Beurteilungen zu vermeiden und damit eine einheitliche Bewertung der unfallversicherungsrechtlichen Kriterien zu gewährleisten. Diese Bindung hat das Zivilgericht von Amts wegen zu berücksichtigen. Sie setzt der eigenen Sachprüfung – auch des Revisionsgerichts – Grenzen. Das Zivilgericht ist an die Entscheidung des Unfallversicherungsträgers bzw. des Sozialgerichts gebunden und zwar unabhängig davon, ob es die von dem Sozialversicherungsträger getroffene Entscheidung inhaltlich für richtig hält. Da das Zivilgericht die Bindung von Amts wegen zu berücksichtigen hat, sind Feststellungen dazu, in welchem Umfang die Bindungswirkung eingetreten ist, zwingend erforderlich. Der Eintritt der Bindungswirkung nach § 108 Abs. 1 SGB VII hängt davon ab, dass die Entscheidung für die Betroffenen unanfechtbar ist. Dies ist der Fall, wenn der Bescheid gemäß § 77 SGG bestandskräftig geworden oder das Sozialgerichtsverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist.
Rz. 490
Die vom Berufungsgericht für die Zulassung der Revision aufgeworfene Frage, ob Voraussetzung der Haftungsprivilegierung nach § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII die "Versicherteneigenschaft" sowohl des Schädigers als auch des Geschädigten ist, wurde vom Bundessozialgericht inzwischen im Urt. v. 26.6.2007 (B 2 U 17/06 R) bejaht. Danach müsste auch der geschädigte Unternehmer, der auf einer gemeinsamen Betriebsstätte mitgearbeitet hat, zum Kreis der Versicherten gehören, wenn dem Schädiger das Haftungsprivileg nach § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII zugutekommen soll. Davon geht auch das Berufungsgericht aus, dessen Entscheidung insoweit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entspricht. Der erkennende Senat kann jedoch auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht abschließend beurteilen, ob der einen Versicherungsfall ablehnende Bescheid der Bau-Berufsgenossenschaft R. und W. auch gegenüber dem Beklagten bestandskräftig geworden ist, nachdem nur der Kläger gegen die Zurückweisung seines Widerspruchs nicht vorgegangen ist. Die Bestandskraft wäre gegenüber dem Beklagten nur dann eingetreten, wenn er in gebotener Weise an dem Verfahren beteiligt worden wäre, denn seine Rechte dürfen durch die Bindungswirkung nach § 108 SGB VII nicht verkürzt werden.
Rz. 491
Um das rechtliche Gehör von Personen, für die der Ausgang des Verfahrens rechtsgestaltende Wirkung hat, zu gewährleisten, bestimmt § 12 Abs. 2 SGB X, dass sie zu dem Verfahren hinzuzuziehen sind. Für die Anwendung dieser Vorschrift reicht es aus, dass der Bescheid ihre Rechtsstellung berührt oder berühren kann. Diese Voraussetzungen liegen in der Person des Beklagten vor. Wird der Unfall nicht als Versicherungsfall anerkannt, muss der Beklagte grundsätzlich für den Personenschaden des Klägers selbst aufkommen. Zwar war die Bau-Berufsgenossenschaft R. und W. zu der Hinzuziehung des Beklagten gemäß § 12 Abs. 2 S. 2 SGB X nur verpflichtet, wenn dieser einen entsprechenden Antrag gestellt hätte, wofür – worauf die Revisionserwiderung hinweist – keine Anhaltspunkte vorliegen. Der Dritte soll nämlich selbst da...