Rz. 392
Das Berufungsurteil hielt einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Annahme des Berufungsgerichts, dem Beklagten komme das Haftungsprivileg des § 106 Abs. 3 Fall 3 SGB VII zugute, erwies sich als rechtsfehlerhaft.
Rz. 393
Zwar war das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Haftungsprivilegierung des § 106 Abs. 3 Fall 3 SGB VII dem Unternehmer als Schädiger nur dann zugute kommt, wenn er im Zeitpunkt der Schädigung selbst Versicherter der gesetzlichen Unfallversicherung war. Es hatte hierzu aber keine Feststellungen getroffen. Soweit die Revisionserwiderung den Beitragsbescheid für 2009 in der Anlage zur Revisionserwiderungsschrift vorgelegt hatte, besagte dieser nichts für die Versicherteneigenschaft im fraglichen Zeitraum des Jahres 2006. Auf die Frage, ob der Bescheid für 2009 in der Revisionsinstanz überhaupt zu berücksichtigen war, kam es schon deshalb nicht an.
Rz. 394
Der erkennende Senat teilte auch nicht die Auffassung des Berufungsgerichts, dass es zum Unfall bei einer vorübergehenden betrieblichen Tätigkeit der Parteien auf einer gemeinsamen Betriebsstätte gekommen sei. Zwar legte das Berufungsgericht der Prüfung die zutreffende Definition der gemeinsamen Betriebsstätte i.S.d. § 106 Abs. 3 Fall 3 SGB VII zugrunde. Es gab auch zutreffend die Merkmale wieder, die nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats für die "gemeinsame" Betriebsstätte prägend sind.
Rz. 395
Doch ließ das Berufungsgericht außer Betracht, dass im Streitfall die Verbindung zwischen den Tätigkeiten als solchen in der konkreten Unfallsituation fehlte, die die "gemeinsame" Betriebsstätte entscheidend kennzeichnet. Die Beurteilung, ob in einer Unfallsituation eine "gemeinsame Betriebsstätte" vorlag, muss sich auf konkrete Arbeitsvorgänge beziehen (vgl. Senatsurt. v. 1.2.2011 – VI ZR 227/09, a.a.O. Rn 7 und 9). Es kommt darauf an, dass in der konkreten Unfallsituation eine gewisse Verbindung der Tätigkeiten als solchen, die sich als bewusstes Miteinander im Betriebsablauf darstellt und im faktischen Miteinander der Beteiligten aufeinander bezogen, miteinander verknüpft oder auf gegenseitige Ergänzung oder Unterstützung ausgerichtet ist, gegeben ist. Der Haftungsausschluss nach § 106 Abs. 3 Fall 3 SGB VII ist (nur) im Hinblick auf die zwischen den Tätigen verschiedener Unternehmen bestehende Gefahrengemeinschaft gerechtfertigt. Er knüpft daran an, dass eine gewisse Verbindung zwischen den Tätigkeiten als solchen in der konkreten Unfallsituation gegeben ist.
Rz. 396
Nach den Umständen des Streitfalls war bezogen auf den Unfallzeitpunkt ein aufeinander bezogenes betriebliches Zusammenwirken des Klägers mit dem Beklagten nicht gegeben. Das Berufungsgericht hatte festgestellt, dass der Beklagte versuchte, einen Lukendeckel über die Luke zu fahren, während der Kläger mit dem Einbau des Stahlbodens befasst war. Selbst wenn der Beklagte die Luke im Hinblick auf den einsetzenden Regen verschließen wollte, war der Kläger zur Erbringung seiner Arbeiten darauf weder angewiesen noch hingen die Werkleistungen der übrigen Mitarbeiter der Streithelferin davon ab, dass die Luke geschlossen würde. Es fehlte sowohl das notwendige Miteinander im Arbeitsablauf als auch der wechselseitige Bezug der betrieblichen Aktivitäten. Ein Zusammenwirken der Parteien im konkreten Arbeitsvorgang war zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben. Die Tätigkeit des Beklagten war nicht in einem faktischen Miteinander mit der des Klägers aufeinander bezogen, miteinander verknüpft oder auf gegenseitige Ergänzung oder Unterstützung ausgerichtet, so dass die für eine "gemeinsame Betriebsstätte" typische Gefahr bestanden hätte, dass sich die Parteien bei den versicherten Tätigkeiten ablaufbedingt in die Quere kommen konnten.
Rz. 397
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wird die "gemeinsame Betriebsstätte" nicht durch vertragliche Vereinbarungen und deren Erfüllung begründet. Die vertraglichen oder sonstigen Beziehungen, die zu dem Tätigwerden der Arbeitnehmer verschiedener Unternehmen führen, spielen für die Beurteilung, ob eine gemeinsame Betriebsstätte vorliegt, keine maßgebliche Rolle. Zwar kann die notwendige Arbeitsverknüpfung im Einzelfall auch dann bestehen, wenn die von den Beschäftigten verschiedener Unternehmen vorzunehmenden Maßnahmen sich nicht sachlich ergänzen und unterstützen, die gleichzeitige Ausführung der betreffenden Arbeiten wegen der räumlichen Nähe aber eine Verständigung über den Arbeitsablauf erfordert und hierzu konkrete Absprachen getroffen werden. Das ist etwa dann der Fall, wenn ein zeitliches und örtliches Nebeneinander dieser Tätigkeiten nur bei Einhaltung von besonderen beiderseitigen Vorsichtsmaßnahmen möglich ist und die Beteiligten solche vereinbaren. Eine solche Verständigung über ein bewusstes Nebeneinander im Arbeitsablauf hat es im Streitfall nach den getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts gerade nicht gegeben. Vielmehr verständigten sich die Streithelferin und der Beklagte über einen suk...