Rz. 26
Lüscher formuliert die These, dass auch aufgrund der sozialen Mannigfaltigkeit der "Bedarf an rechtlichen Regelungen" steige. Für das Recht der Erbengemeinschaft könnte argumentiert werden, dass bei abnehmender sozialer Kontrolle und dem Verlust gesellschaftlich akzeptierter Verteilungsmechanismen genauere gesetzliche Anordnungen erforderlich seien.
Ob aber schon diese Grundthesen zutreffen, ist nicht geklärt und kann bezweifelt werden. Es ist dagegen eher wahrscheinlich, dass Konflikte innerhalb von Erbengemeinschaften schon immer bestanden haben und durch eine differenziertere soziale Wirklichkeit nicht erst entstanden und eventuell auch nicht signifikant vermehrt wurden.
Entsprechend können Unzulänglichkeiten etwa bei der Verwaltung in der Erbengemeinschaft vom Gesetzgeber auch in Kauf genommen worden sein. Das Rechtsinstitut der Erbengemeinschaft wurde auf Auseinandersetzung angelegt. Eine dauerhafte Rechtspersönlichkeit wurde gerade nicht gewünscht. Verbesserte Verwaltungsregelungen können diesem Ziel entgegenwirken. Es könnte der Antrieb zur Verteilung verloren gehen. Zudem stand und steht die Sicherung des Nachlasses für Gläubiger im Vordergrund. Eine vereinfachte Verteilung kann die Haftungsmasse mindern und die Gläubiger benachteiligen.
Gezeigt werden soll: Die Konfliktvermeidung an einer Stelle kann an anderer zu neuen Konflikten und insgesamt zur Neugewichtung von Interessen führen.
Es ist zu früh, schon jetzt Konsequenzen aus der Konfliktforschung für die Gesetzgebung hinsichtlich der Erbengemeinschaft zu fordern. Es liegen keine rechtstatsächlichen oder rechtssoziologischen Forschungsergebnisse vor, die überhaupt einen Handlungsbedarf genau bezeichnen können. Noch viel weniger sind Modelle entwickelt und diskutiert worden, die Schwachstellen beheben können, ohne neue zu schaffen.
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Ein anderer Ansatz wäre es, bestehende Regelungen beizubehalten, aber das Verfahren zu verbessern. Basieren Konflikte in einer Erbengemeinschaft im Wesentlichen auf persönlichen Animositäten, kann eine (gerichtliche) Mediation ein Weg zur Befriedung und wirtschaftlichen Auseinandersetzung sein. Die gesetzliche Regelung der Mediatorenqualifikation ist ein Schritt in diese Richtung.
Folgt aus der persönlichen Distanz unter den Erben ein wirtschaftlicher Druck, kommt eine Professionalisierung der Auseinandersetzung durch die Einschaltung von spezialisierten Rechtsanwälten in Betracht. Ob komplexe persönliche und wirtschaftliche Zusammenhänge durch Gesetzesänderungen entwirrt werden können, erscheint fraglich.