Rz. 15
Zitat
BGB § 249
Wählt der Geschädigte den Weg der Ersatzbeschaffung, obwohl nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot nur ein Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten besteht, steht ihm jedenfalls dann kein Anspruch auf Ersatz von Umsatzsteuer zu, wenn bei der Ersatzbeschaffung keine Umsatzsteuer angefallen ist.
a) Der Fall (vereinfacht)
Rz. 16
Der Kläger nahm den beklagten Haftpflichtversicherer nach einem Verkehrsunfall vom 7.7.2007, für den die volle Haftung der Beklagten außer Streit stand, auf Zahlung der in einem vorprozessual eingeholten Gutachten angegebenen Umsatzsteuer für eine Reparatur in Anspruch. In dem Gutachten hatte der Sachverständige Reparaturkosten von 3.000 EUR netto und 3.570 EUR inkl. Mehrwertsteuer angegeben. Den Wiederbeschaffungswert hat er auf 10.000 EUR inkl. Mehrwertsteuer und den Restwert des Unfallfahrzeugs auf 4.000 EUR inkl. Mehrwertsteuer geschätzt. Der Kläger hat das Unfallfahrzeug unrepariert verkauft und von privat ein Ersatzfahrzeug für 8.000 EUR erworben. Die Beklagte hat vorgerichtlich die fiktiven Netto-Reparaturkosten in Höhe von 3.000 EUR sowie die Wertminderung in Höhe von 150 EUR erstattet. Der Kläger machte die Brutto-Reparaturkosten geltend.
Rz. 17
Das Amtsgericht hat die Klage auf Zahlung der Differenz von 570 EUR abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht dieses Urteil abgeändert und die Beklagte zur Zahlung des begehrten Mehrwertsteuerbetrags verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrte die Beklagte weiterhin, die Klage abzuweisen.
b) Die rechtliche Beurteilung
Rz. 18
Das angefochtene Urteil hielt einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Dem Kläger stand der geltend gemachte Betrag in Höhe der Umsatzsteuer für die Reparaturkosten nicht zu.
Rz. 19
Nach der Rechtsprechung des Senats stehen dem Geschädigten im Allgemeinen zwei Wege der Naturalrestitution zur Verfügung: Die Reparatur des Unfallfahrzeugs oder die Anschaffung eines "gleichwertigen" Ersatzfahrzeugs. Unter den zum Schadensausgleich führenden Möglichkeiten der Naturalrestitution hat der Geschädigte jedoch grundsätzlich diejenige zu wählen, die den geringsten Aufwand erfordert. Dieses sogenannte Wirtschaftlichkeitspostulat findet gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB seinen gesetzlichen Niederschlag in dem Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit, ergibt sich aber letztlich schon aus dem Begriff des Schadens selbst. Darüber hinaus findet das Wahlrecht des Geschädigten seine Schranke an dem Verbot, sich durch Schadensersatz zu bereichern. Denn auch wenn er vollen Ersatz verlangen kann, soll der Geschädigte an dem Schadensfall nicht "verdienen".
Rz. 20
Hier hätte sich der Kläger nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot für eine Abrechnung auf Reparaturkostenbasis entscheiden müssen, insoweit liegt der Fall anders als bei der Entscheidung des erkennenden Senats vom 1.3.2005 (VI ZR 91/04, BGHZ 162, 270), bei der die Ersatzbeschaffung vom Wirtschaftlichkeitsgebot gedeckt war. Es blieb für den Kläger zwar die Möglichkeit bestehen, dem Wirtschaftlichkeitspostulat nicht zu folgen, sondern statt einer wirtschaftlich gebotenen Reparatur – wie geschehen – eine höherwertige Ersatzsache zu erwerben. Auch in diesem Fall kann er nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot aber nur auf Reparaturkostenbasis abrechnen, weil eine Reparatur den geringsten Aufwand zur Schadensbeseitigung erforderte. Rechnet er insoweit auf der Basis eines vorgerichtlich eingeholten Gutachtens ab, handelt es sich um eine fiktive Schadensabrechnung, weil eine Reparatur nicht tatsächlich durchgeführt worden ist.
Daraus folgt, dass dem Kläger der geltend gemachte Umsatzsteuerbetrag für eine Reparatur nicht zustand.
Rz. 21
Nach § 249 Abs. 2 S. 2 BGB schließt der bei der Beschädigung einer Sache zur Wiederherstellung erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist. Mit dieser durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensrechtlicher Vorschriften vom 19.7.2002 (BGBl I 2674) eingeführten gesetzlichen Regelung wollte der Gesetzgeber nichts an der Möglichkeit des Geschädigten ändern, den für die Herstellung erforderlichen Geldbetrag stets und insoweit zu verlangen, als er zur Herstellung des ursprünglichen Zustands tatsächlich angefallen ist. In diesen Fällen kommt es für den Ersatz der Umsatzsteuer nur darauf an, ob sie zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands angefallen ist, nicht aber welchen Weg der Geschädigte zur Wiederherstellung beschritten hat. Bei der fiktiven Schadensabrechnung nach einer Beschädigung von Sachen soll sich nach der Absicht des Gesetzgebers allerdings deren Umfang mindern, indem die fiktive Umsatzsteuer als zu ersetzender Schadensposten entfällt. Umsatzsteuer soll nur noch ersetzt werden, wenn und soweit sie zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands durch Reparatur oder Ersatzbeschaffung tatsächlich anfällt, d.h. wenn und soweit sie der Geschädigte zur Wiederherstellung aus seinem Vermögen aufgewendet oder er sich hierzu verpflichtet hat. S...